062 - John Flack
herantrat, und nach dem üblichen Austausch von Höflichkeitsphrasen über die Wahl der Zusammenspielenden fand sich Mr. Reeder Oberst Hothling gegenüber. Zu seiner Linken saß das blasse, junge Mädchen, rechts von ihm Ehrwürden Mr. Dean mit hartem Gesicht.
»Um was spielen wir?« brummte der Oberst, strich seinen Schnurrbart und heftete seine stahlblauen Augen auf Mr. Reeder.
»Nicht zu hoch, hoffentlich«, bat dieser. »Ich bin ein sehr schwacher Spieler.«
»Sixpence für hundert Points«, schlug der Geistliche vor. »Mehr kann ich mir als armer Pastor nicht leisten.«
»Und ein armer pensionierter Militär auch nicht«, brummte der Oberst, und man einigte sich auf Sixpence für hundert.
Zwei Partien wurden verhältnismäßig schweigsam gespielt. Mr. Reeder war sich der gespannten Atmosphäre bewußt, tat aber nichts, um sie zu mildern. Sein Partner war für jemand, der, wie er gesprächsweise erwähnte, sein Leben im militärischen Dienst zugebracht hatte, sehr nervös.
»Ein sehr schönes Leben«, bemerkte Mr. Reeder freundlich.
Ein- oder zweimal bemerkte er, wie die Hand des jungen Mädchens, die die Karten hielt, leicht zitterte. Allein der Geistliche war ruhig und kühl und spielte ohne Fehler. Als aber sein Partner wieder einmal nicht Farbe bekannte, ein unglaublicher Schnitzer, der Spiel und Robber zur Gegenpartei brachte, schob Mr. Reeder seinen Stuhl zurück.
»Wie eigenartig doch die Welt ist!« sagte er bedeutungsvoll. »Wie ein Kartenspiel!«
Wer Mr. Reeder sehr gut kannte, wußte, daß er am gefährlichsten war, wenn er anfing, zu philosophieren. Die drei Personen, die um den Tisch herum saßen, hörten weiter nichts als eine langweilige, abgedroschene Phrase, die in völligem Einklang mit der Meinung war, die sie sich von diesem etwas stumpfsinnig aussehenden Mann gemacht hatten.
»Es gibt Leute«, fuhr Mr. Reeder fort und blickte nachdenklich zu der hohen Zimmerdecke hinauf, »die niemals glücklich sind, wenn sie nicht alle Asse haben. Ich bin am glücklichsten, wenn ich alle Buben in der Hand habe.«
»Sie spielen ausgezeichnet, Mr. Reeder.«
Es war das junge Mädchen, das diese Worte sprach, und seine Stimme klang heiser, der Ton war zögernd, als ob es sich selbst zum Sprechen zwingen müßte.
»Ja, ein Spiel, vielleicht auch zwei, spiele ich ganz gut«, sagte Mr. Reeder. »Ich glaube, das kommt zum Teil auch daher, daß ich ein vorzügliches Gedächtnis habe; ich vergesse niemals die - Buben.«
Allgemeines Schweigen. Diesmal war die Anspielung zu deutlich, um mißverstanden zu werden.
»In meinen jüngeren Tagen«, fuhr Mr. Reeder fort, ohne sich an irgendeinen besonders zu wenden, »gab es einen Herz-Buben, der nach und nach ein Kreuz-Bube wurde und dann schließlich weiter in der Himmel weiß was für Tiefen von anderen Bübereien versank! In kurzen Worten: Er begann sein - hm - Berufsleben als Bigamist, setzte seine interessante und romantische Karriere als Schlepper für Spielhöllen fort und war dann in einen Bankraub in Denver verwickelt. Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen, aber in seinen ›Kreisen‹ ist er allgemein als ›der Oberst‹ bekannt; ein Herr von militärischem Äußern, angenehmer Erscheinung und gewandter Ausdrucksweise.« Er blickte den Oberst bei diesen Worten nicht an, bemerkte also nicht, wie dieser erblaßte.
»Seit er sich einen Schnurrbart wachsen ließ, bin ich ihm nicht mehr begegnet, würde ihn aber überall erkennen, erstens mal an der eigenartigen Farbe seiner Augen, und dann an einer Narbe an seinem Hinterkopf . . . Eine Erinnerung an irgendeine Schlägerei, in die er verwickelt war. Man hat mir erzählt, daß er ein hervorragender Künstler im Messerwerfen geworden ist - ich nehme an, er hat sich eine Zeitlang in Südamerika aufgehalten. - Ein Kreuz-Bube und ein Herz-Bube - hm -!«
Der Oberst saß steif da, nicht ein Muskel seines Gesichts bewegte sich.
»Man nimmt an«, fuhr Mr. Reeder fort und sah das junge Mädchen nachdenklich an, »daß er nach und nach eine gewisse Wohlhabenheit erworben hat, die es ihm ermöglicht, sich in den besten Hotels aufzuhalten, ohne die Gefahr einer polizeilichen Überwachung befürchten zu müssen.«
Ihre dunklen Augen blickten ohne zu zucken in die seinen, und ihre vollen Lippen waren fest geschlossen.
»Das ist sehr interessant, Mr. Reeder«, sagte sie gedehnt. »Mr. Daver erzählte, Sie hätten mit der Polizei zu tun?«
»Wenig . . ., außerordentlich wenig«, sagte Mr. Reeder.
»Kennen Sie
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