0624 - Der Schädel des Riesen
denn?«
»Ich habe die Fotos.«
»Den Beweis also?«
»Richtig.« Er deutete auf die Tüte. »Da sind sie. Schauen Sie sich die Bilder an und geben Sie mir dann einen Kommentar.«
»Okay.«
Zwei Minuten später starrte Ray gegen die Wand. Sein Blick war leer. Plötzlich rannte er hinaus. Die Toilette lag nebenan. Dave konnte hören, wie die Spülung zweimal gedrückt wurde. Danach kehrte der Mann mit zitternden Knien zurück. Vor seine Lippen hielt er ein Taschentuch gepreßt.
»Was sagen Sie nun, Sir?«
»Hören Sie mit Ihrem Sarkasmus auf, Dave. Wenn das der Wahrheit entspricht…«
»Es ist die Wahrheit.«
»Wie war das denn?«
»Don stieg aus, er wollte diesen Kopf knipsen, da haben ihn die Ratten erwischt.«
»Einfach so?«
»Ja, zum Teufel.«
Ray überlegte, die Bilder wollte er nicht mehr anschauen. Mit der Rückseite nach oben packte er sie wieder ein. »Wir müssen etwas tun, Dave. Wir müssen unbedingt etwas tun.«
»Bravo und was?«
»Die Polizei…«
»Das ist mir zu einfach. Hier gehören keine normalen Polizisten hin, da muß man schon tiefer greifen.«
»Wie tief meinen Sie?«
»Scotland Yard, Ray. Sie müssen einfach Scotland Yard benachrichtigen.«
Der Mann nickte. »Ich glaube, das werde ich auch tun, Dave.«
Dann ging er hinaus.
***
»Kaffee, Tee… oder?« fragte Glenda leise, als sie das Büro betrat, in dem Suko hockte und dumpf ins Leere schaute.
»Nicht einmal das, oder?«
»Ja, ich weiß«, stöhnte sie und stellte ihre Tasse ab. Die Hände zitterten, und die Tasse tanzte leicht auf dem Untersatz. »Keine Spur, kein Zeichen, kein gar nichts.«
»Es war einmal John Sinclair«, sagte Suko müde.
Glenda verschluckte sich, als sie die Worte hörte. »Wie kannst du nur so reden?«
»Ganz einfach, Mädchen, weil ich noch nie eine derartige Situation erlebt habe. Es gibt keinen Weg zu ihm. John ist ein alter Mensch geworden und verschollen.«
Sie wehrte mit beiden Händen ab. »So kannst du das nicht sagen, Suko. Wir wissen von Myxin, daß Kara unterwegs gewesen ist, um John zu retten. Vielleicht hat sie es geschafft.«
»Hast du was gehört?«
»Das nicht.«
»Eben.«
»Dann fassen wir uns noch einmal in Geduld.«
Barsch winkte der Inspektor ab. »Glenda, ich bin wohl der einzige, der John in seinem gealterten Zustand gesehen hat. Und es hat mir einen Schock versetzt. Es war furchtbar, es war entsetzlich. Auch wenn John den Weg zurückgefunden hätte, er würde sich so bei uns nicht mehr blicken lassen.«
»Moment mal, du gehst davon aus, daß er als alter Mann zurückkehrt und nicht als normaler?«
»Bis jetzt ja.«
»Ich bin da optimistischer und vertraue sogar auf den Dunklen Gral. Er hat John gegenüber einfach etwas gutzumachen. So simpel ist das.« Sie lächelte.
»Gott bewahre dir deinen Optimismus, Kind.«
Glenda hob die Schultern. Ihr von Müdigkeit gezeichnetes Gesicht zeigte plötzlich einen traurigen Ausdruck. »Das weiß ich selbst, Suko, aber man muß sich ja Mut machen.« Ihre Stimme zitterte so stark wie die Finger, als sie nach der Tasse griffen.
Der Inspektor dachte daran, als er mit Bill Conolly und Jane in der Wohnung des Geisterjägers beisammen gewesen war. Sie hatten gemeinsam auf den geflüchteten John Sinclair gewartet und zuvor auch eine Spur von ihm im Hyde Park entdeckt, aber John war von einem riesenhaften Reiter in eine andere Welt entführt worden. In der Wohnung war dann Myxin erschienen, um ihm zu erklären, daß Kara mit Hilfe des Spuks versuchte, John Sinclair zu finden und wieder zurückzuholen. Das hatte bisher keinen Erfolg gezeigt. Irgendwann in der Nacht war auch Myxin verschwunden und hatte die Freunde zurückgelassen.
Nicht mal einen Hinweis hatte es auf den Verbleib des Geisterjägers gegeben, keinen Tip, keine Spur – John Sinclair war und blieb verschwunden.
Verschollen auf einer geheimnisvollen Insel mit dem Namen Avalon. Dieses Eiland geisterte durch zahlreiche Sagen und Legenden.
König Artus hatte es aufgesucht, um zu sterben. Merlin, der Zauberer, herrschte ebenfalls über Avalon, aber existierte die Insel denn?
Suko wußte es nicht. Vielleicht John und Kara, nur waren die nicht da.
Er hob den Kopf. Wegen des fehlenden Schlafs fühlten sich seine Augenlider schwer wie Blei an. Er sah Glenda, die ebenfalls verzweifelt aussah und sich große Sorgen machte.
»Doch einen Kaffee?« fragte sie.
»Okay.«
Sie ging und ließ Suko in der Stille zurück, die ihm vorkam wie ein Gefängnis. Er mochte sie nicht, er
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