063 - Die linke Hand des Satans
hatte schweigend zugehört, wenn er auch immer ungeduldiger geworden war. Hatte er anfangs noch relativ ruhig dagesessen, so hatte er bald eine unruhige Wanderschaft durchs Atelier aufgenommen, Bücher ergriffen, wieder weggelegt, Schranktüren geöffnet und wieder geschlossen und an den unmöglichsten Stellen und in allen Winkeln nach irgend etwas gesucht. Zwischendurch schüttete er ein Glas Whisky nach dem anderen in sich hinein.
Jetzt war die Flasche leer, und Tim Morton ein zitterndes Nervenbündel. Er beleckte sich die Lippen, strich sich eine Strähne des langen Haares aus der Stirn, blickte unsicher zu Coco und dann zu Dorian hin.
„Du bist verrückt, Dorian. Total verrückt", sprudelte er hervor und verdrehte die Augen. „Deine Schlußfolgerungen hören sich an, als würden sie einem kranken Gehirn entspringen. Du siehst Gespenster. Du meine Güte! Nein, es ist verrückt. Warum belaste ich mich überhaupt damit?"
„Ich fürchte, du schwebst in großer Gefahr, Tim", sagte Dorian. „Noch ist es nicht zu spät, dich aus eigener Kraft aus Hekates Netz zu befreien. Du mußt dich nur dazu überwinden, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Erkenne die Situation!"
Tim Morton schüttelte in übertriebener Verzweiflung den Kopf. „Du siehst Gespenster, Dorian, siehst Gefahr und Verschwörung von Dämonen, wo nichts dergleichen ist. Du glaubst mir doch, daß ich jetzt im Vollbesitz meiner Geisteskräfte und meines eigenen Willens bin, Dorian?"
„Mit Einschränkung."
„Ist mir auch egal." Tim machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich weiß, daß ich in diesem Augenblick so normal bin, wie man nur sein kann. Und deshalb kannst du es mir glauben, wenn ich sage, daß meine Beziehung zu Maria durch und durch normal ist. Ungewöhnlich - gut - und unkonventionell -, aber sie hat überhaupt nichts mit Dämonen und Schwarzer Magie zu tun. Zuerst hat mir das Mädchen nur leid getan, jetzt fasziniert sie mich. Das könntest du sogar verstehen, wenn du sie nur besser kennen würdest."
„Ich kenne Hekate und ihre Macht."
„Ach, hör doch damit auf!" schrie Morton und warf die Hände wütend in die Luft. „Ich schätze dich als Freund und bewundere dich als Dämonenkiller. Aber diesmal gehst du zu weit. Du mischst dich hier in Privatangelegenheiten ein, die nur mich allein etwas angehen. Das dulde ich nicht. Ich warne dich, Dorian, laß deine Finger von Maria!"
„Warum regst du dich denn so auf, Tim?" fragte Dorian ruhig. „Ich will doch nur dein Bestes." „Aber wir scheinen verschiedener Meinung zu sein, was für mich gut ist", brüllte Morton ihn an. „Und die Freiheit, über mein Leben selbst zu entscheiden, nehme ich mir allemal noch.
Es ist schon ein starkes Stück, daß du meine Wohnung geräumt hast. Wo sind die Zeichnungen und Plastiken?"
„Patrick Haymes hat sie in Verwahrung genommen."
„Diesem Giftzwerg drehe ich den Hals um, wenn auch nur eine Zeichnung beschädigt ist." Morton war auf seiner unruhigen Wanderung zu Coco gekommen. Er warf ihr einen giftigen Blick zu und fauchte sie an: „Ich weiß nicht, welches Gebräu Sie mir eingeflößt haben, Coco, aber seien Sie gewiß, daß Ihr Hexeneinmaleins nicht ausreicht, mich Maria vergessen zu lassen. Ich gehe jetzt zu Maria zurück. Und ihr werdet mich nicht daran hindern können."
Dorian wartete, bis Morton die Tür erreicht hatte, dann rief er ihm nach: „Tim! Auch wenn es dir nicht gefallen wird - wir haben Maria aus dem Verkehr gezogen. Wir werden sie demaskieren und dir beweisen, daß sie ein Werkzeug Hekates ist."
Morton wirbelte herum, das Gesicht zu einer Fratze der Wut und des Schmerzes verzerrt. „Was habt ihr mit ihr gemacht? Wo ist sie?"
„Sie ist gut aufgehoben."
„Ich kann es mir schon denken", rief Morton. „Pat, dieser hinterhältige Hund! Diese verdammten Freaks können etwas erleben, wenn sie Maria auch nur ein Härchen gekrümmt haben."
Er drehte sich um und stürmte aus der Wohnung.
„Es war ein Fehler, Tim zu sagen, daß wir Maria entführt haben, Dorian", sagte Coco in die folgende Stille hinein. „Er weiß jetzt, wo er nach ihr suchen muß. Und er wird sie finden, weil er alle Verstecke der Freaks kennt."
„Wie konnte ich denn wissen, daß er so reagiert?" erwiderte Dorian. „Ich war sicher, daß er Vernunft annehmen würde."
„Du wußtest aber, daß mein Anti-Theriak kein Allheilmittel ist."
„Was sollen die Vorwürfe jetzt." Dorian wurde durch Cocos ruhige, anklagende Art nur noch gereizter, als er
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