063 - Im Labyrinth des Ghuls
wußte nichts damit
anzufangen.
Die bleiche,
hochgewachsene Gestalt zuckte unmerklich zusammen. »Woher kennt er diesen
Namen? Hast du ihn genannt ?« Die Frage klang wie eine
Drohung.
Bracziskowsky
kam sich ziemlich überflüssig vor. Er hatte das Gefühl, daß über seinen Kopf
hinweg etwas besprochen wurde, was er nur andeutungsweise mitbekam.
»Ja. Er sucht
Aufklärung. Gib sie ihm !« Karnhoff trat zur Seite.
Die Gestalt
in der verbreiterten Felsspalte bewegte sich. Bracziskowsky kam dies alles wie
ein Traum vor. Irgendwie paßte er nicht in die Wirklichkeit.
Taikona kam
den schmalen Pfad herunter. Sein Blick war unablässig auf den Fremden geheftet.
Es war ein eisiger, sezierender Blick. Bracziskowsky hatte nie zuvor solche
Augen gesehen, obwohl er schon mit Mördern und Giftmischerinnen, mit Hellsehern
und klinisch Toten gesprochen hatte, die schon einen Blick ins Jenseits
geworfen hatten und durch die Kunst der Medizin wieder im Diesseits gelandet
waren.
In den Augen
dieses Mannes aber lag ein Geheimnis verborgen, ein immenses Wissen.
Bracziskowsky spürte die Stärke der Persönlichkeit des rätselhaften Taikona.
»Wer ist das
– Rha-Ta… ?« fragte Bracziskowsky leise. Er brachte das
Wort nicht zustande.
»Rha-Ta-N’my«,
ergänzte Taikona und lächelte geheimnisvoll. In seinen dunklen Augen blitzte es
kurz auf. Jetzt, wo der Einsiedler unmittelbar vor ihm stand, sah er die
zahllosen winzigen Runzeln, welche die weiße, blutleere Haut welk erscheinen
ließ. »Die Göttin der Schwarzen Sklaven.« Obwohl Taikona mit Akzent sprach,
vermochte Bracziskowsky nicht auf Anhieb zu sagen, woher der Mann wirklich
stammte. Wahrscheinlich trug Taikonas Aussehen mit dazu bei, daß man dies nicht
richtig einordnen konnte.
»Ich habe nie
davon gehört«, erklärte Bracziskowsky. »Ich bin gekommen, um etwas über das
Schicksal der beiden Karnhoffs zu erfahren .«
Die Reaktion
seines Gegenübers erschöpfte sich in einem leichten Hochziehen der buschigen Augenbrauen.
»Du kannst
gehen«, sagte Taikona einfach und wandte sich dem geisteskranken Deutschen zu.
Karnhoff
kicherte. »Es ist zum ersten Mal seit langer Zeit, daß wir Besuch bekommen,
Taikona. Ich möchte gern dabei sein, wenn du mit Bracziskowsky sprichst. Es
wird bestimmt sehr interessant .«
»Geh !« Taikonas Stimme duldete keine Widerrede.
Karnhoffs
Blick wurde unstet. Bracziskowsky sah, wie er versuchte dem Blick des
Einsiedlers auszuweichen, wie ihm das aber nicht gelang.
»Ja, gut. Ich
gehe .« Es kam wie ein Hauch über die Lippen des
asketischen Deutschen. Er nickte, seine Schultern sackten herab. Für den
Bruchteil eines Moments sah es noch so aus, als wolle er sich noch mal umdrehen
und etwas sagen. Aber mit hängendem Kopf trottete er davon.
»Er ist ein alter
Narr«, bemerkte Taikona zynisch. Seine schmalen, blutleeren Lippen zogen sich
herab. Dann sah der Einsiedler den Schriftsteller an. »Das ist einer der beiden
Karnhoffs.
Der andere
ist in seine Heimat zurückgekehrt .«
»Das ist
richtig. Als ich von der Insel erfuhr, glaubte ich nicht an das, was ich hörte.
Weshalb ist er so geworden ?«
»Er wollte
das Geheimnis kennenlernen, um es mir zu entreißen. Ich hatte ihn gewarnt. Sein
Sohn hat auf seine Weise das Gedächtnis verloren. Keiner weiß mehr etwas über
den anderen.
Sein Sohn
wurde ein anderer. Das ist die Strafe der Götter .«
In
Bracziskowskys Schädel brummte es. Er mußte so viele neue Eindrücke verdauen.
»Es wird
jedem so gehen. Entweder Wahnsinn oder Veränderung. Ich kann es vorher nicht
bestimmen. Ich habe einen Auftrag, das ist alles. Jeder kann das Heiligtum
aufsuchen und es sich ansehen. Was dann wird, liegt nicht in meiner Macht. Ich
führe Sie gern dorthin, wo vor zehn Jahren die beiden Karnhoffs das Rätsel der
Alten zu lösen glaubten .«
»Das Rätsel
der Alten?«
»Richtig.
Diese Insel war dazu auserwählt, gottähnlichen Wesen eine Zeitlang als Heimat
zu dienen. Dies geschah in grauer Vorzeit. Die heutigen Erdbewohner wissen
nichts mehr davon.
In den alten
Sagen und Legenden jedoch blitzt manchmal noch etwas von dem Mythos vergangener
Zeiten auf, als die Götter die Erde bevölkerten. Selbstverständlich ist dies
alles in ein anderes Gewand gekleidet. Aber ein Fünkchen Wahrheit steckt in all
den Dingen, die wir Heutigen so gern als Märchen hinstellen würden. Die
Osterinsel war nur ein auserwählter Platz, wo die Großen Alten und die
Schwarzen Sklaven und vor allen Dingen Rha-Ta-N’my,
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