063 - Im Labyrinth des Ghuls
und
geherrscht hatten, war beachtlich.
Sie war so
gut, daß selbst Johann Karnhoff, der den beiden wie ein Schatten gefolgt war,
jedes Wort verstand. Der fiebernde Blick des Geisteskranken ging unstet über
die dunkle Säule. Zitternd streckte Karnhoff seine Rechte aus, strich über das
glatte, fugenlos kalte Gestein, und ein unbarmherziger Zug lag um seine Lippen.
Rha-Ta-N’my
war ein Wesen, das man fürchten mußte. Bracziskowsky stand drei Meter vor der
hohen, grünen Feuersäule entfernt.
»Was für eine
Flamme ist das ?« fragte er mit dumpfer Stimme.
»Die Flamme
der Wahrheit«, entgegnete Taikona geheimnisvoll lächelnd. »In ihr ist Rha-Tha-N’mys
Einfluß bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Hier sind ihre Kräfte
gespeichert .«
»Wollen Sie
damit sagen, daß das Feuer schon einige Jahrtausende brennt ?«
»Nein. Es war
erloschen. Durch Rha-Tha-N’mys Manuskript erhielt ich Kunde von der Stelle, wo
die Flamme seinerzeit brannte. Ich konnte sie wieder entfachen. Wir müssen sie
jetzt durchschreiten, wenn Sie… !«
Bracziskowsky
wandte den Kopf, als hätte er nicht richtig gehört. »Die Flamme durchschreiten ?« fragte er ungläubig. Wenn Taikona annahm, daß er
hierhergekommen war, um Selbstmord zu begehen, dann irrte er sich!
»Es handelt
sich um ein kaltes Feuer. Nichts wird Ihnen geschehen. Sie zweifeln? Ich hätte
Ihnen mehr Mut zugetraut .«
Ohne noch ein
weiteres Wort zu verlieren, ging Taikona an die Flamme heran. Bracziskowsky
glaubte zu träumen, als er sah, wie der Einsiedler mitten durch die mannshohe
Flamme schritt. Nichts veränderte sich. Auf der anderen Seite tauchte Taikona
wieder auf.
Hinter dem
grünen Licht war schemenhaft verschwommen seine Gestalt zu erkennen. Taikona
wandte sich um. Er war unversehrt.
Narrte ihn
ein Spuk? Bracziskowsky schloß und öffnete die Augen mehrmals. Der Eindruck
lieb.
Er streckte
die Hand aus. Spürte keine Wärmeentwicklung auf seiner Haut.
»Kommen Sie !« forderte Taikona ihn auf. »Sie wollen das Geheimnis
ergründen, deswegen sind Sie doch hier? Wer etwas Neues erforschen will,
riskiert immer etwas, nicht wahr ?«
Bracziskowsky
erinnerte sich an das, was er sich bei seinem Eintritt in die Höhle vorgenommen
hatte, auf der Hut zu sein und sich durch nichts irritieren zu lassen.
Das Ganze
konnte eine Halluzination sein. Er wußte nicht, über welche außergewöhnlichen
Kräfte der rätselhafte Einsiedler verfügte. War er ein Magier? Ließ er ihn
Dinge sehen, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren?
Bracziskowsky
mußte an die Szene denken, als Johann Karnhoff willenlos davongetrottet war.
Hypnose!
Bracziskowsky
dachte nach. War er noch ein freier Mann, oder war er dem Willen Taikonas völlig
verfallen? Bracziskowsky streckte seine Hand in die hohe, sich seltsamerweise
nur schwach bewegende Flamme. Er fühlte keinen Schmerz.
Er lächelte.
Handelte es sich um ein Trugbild? Es mußte so sein. Wahrscheinlich wollte
Taikona damit unliebsame Besucher davon abhalten, sich einem Höhlenbezirk zu
nähern, der verboten war, weil es etwas zu verbergen gab.
Bracziskowsky
ging einen Schritt vor. Das grüne Leuchten hüllte sein Gesichtsfeld ein. Im
gleichen Augenblick, als er mitten in der Flamme stand, tönte ein Rauschen und
Brausen durch sein Bewußtsein, das er nicht über das Gehör aufnahm.
Die Welt um
ihn herum sah plötzlich ganz anders aus.
Die Wände
wichen zurück, das grüne Leuchten, das sich scheinbar bis in sein Innerstes zu
fressen schien, verblaßte. Ein riesiger Schatten! Wie ein überdimensionaler
schwarzer Vogel glitt er auf ihn zu. Der Koloß nahm eine andere Form an.
Entsetzliche Schreie kamen aus dem gebogenen, mit wurmartigen Auswüchsen
versehenen Schnabel.
Aus der
brüllenden Finsternis, die tobte und brodelte, die um ihn und in ihm aufbrach,
lösten sich vereinzelte Stimmen, die schrill und vibrierend seltsame Laute
ausstießen. Obwohl Janosz Bracziskowsky kein Wort verstand, lief ihm ein
Schauer über den Rücken. Die Worte klangen nach Bedrohung und Gefahr.
»Kamaratahh-ugh’lo-urm-urm
– yough – xantho – tok-tok-rha-ta-n’my-rha-ta-n’my !«
Durch jede
einzelne Pore seines Körpers schienen diese merkwürdigen, bedrohlichen Laute in
sein Inneres zu dringen.
Rha-Ta-N’my!
Auch dieser Begriff kam vor. Und aus dem Schatten wurde bei der Nennung dieses
Namens ein furchterregender Koloß. Ein gewaltiger Körper, in Schemen erkennbar
die Formen einer Frau, aber in einem bizarren Körper, der
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