063 - Im Labyrinth des Ghuls

in einem kantigen,
trapezförmigen Schädel mündete, aus dessen kahler Platte schlangengleiche
Flammen züngelten. Dieses Licht war grün, und der ganze ungeheuerliche,
titanenhafte Körper, der sich aus dem fliegenden Schatten entwickelte,
leuchtete plötzlich von innen heraus.
    Aus den
Flügeln wurden lange, schlangengleich sich windende Arme, die ihn zu
umschlingen drohten. Aus dem brodelnden Untergrund, auf dem er wie auf einem
schmatzenden Sumpf zu stehen glaubte, stiegen schwefelgelbe Dämpfe empor, die
ätzend in seine Atemwege drangen.
    Bracziskowsky
geriet in einen Schwall übler Gerüche, wie er sie nie zuvor geatmet hatte.
    Tod und
Verfall hafteten den Dämpfen an, die aus einer stinkenden Hölle zu stammen
schienen.
    »Rha-Ta-N’my-Rha-Ta-N’my !« Es tobte und
stampfte, die Stimmen überschlugen sich.
    Und
dazwischen eine ferne, schwache Stimme.
    »Taikona – Taikona
– jetzt bin ich an der Reihe !«
    Ein Blitz vor
Bracziskowsky koppelte das bedrückende Traumgeschehen mit der Realität.
    Er fühlte
sich in die Seite gestoßen, taumelte, stürzte nach vorn und konnte gerade noch
verhindern, daß er zu Boden stürzte.
    Der
Schriftsteller wußte nicht, wie lange er in dem betäubenden Einfluß der
magischen Flamme gewesen war. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein, seit er
die Höhle betrat.
    Doch erst
kurze Zeit war vergangen.
    »Karnhoff!«
Der Name kam wie ein Aufschrei über die Lippen des Albinos.
    Bracziskowsky
sah den Schatten des Mannes an sich vorüberhuschen. Taikona war durch die
Flamme gesprungen, durchquerte mit eiligen Schritten die schummrige,
gigantische Halle und blickte hinauf zu den großen Treppenstufen. Auf der
obersten stand der Schwachsinnige, und ein kindisches Kichern drang aus seiner
Kehle.
    Karnhoff
reagierte nicht auf seinen Namen. Er führte seine Hände in einer beinahe
zärtlichen Bewegung über den dunklen, glatten Stein der Säule hinweg.
    Taikona war
außer sich. »Geh weg davon, Karnhoff !« rief er.
    Johann
Karnhoff machte weiter. »Warum sollte ich, Taikona? Ich suche den Mechanismus,
und ich werde ihn finden! Ah, da ist eine kleine Erhebung. Löst das den
Mechanismus aus, Taikona ?«
    »Hände weg,
Karnhoff!« Die Stimme des Priesters der legendären Rha-Ta-N’my überschlug sich.
»Du wirst deinen Tod herbeiführen !«
    »Aber
Taikona! Vorhin hast du doch noch anders gesprochen. Ich habe alles sehr gut
hier oben gehört. Das akustische Problem in diesen Hallen ist genial gelöst. Wo
immer man auch steht, man kann die Beschwörungsformeln hören, die Rha-Ta-N’my
und die Angehörigen des Dämonenkultes sprechen. Diesmal werde ich nicht so
leicht aufgeben, Taikona! Seit Jahren warte ich darauf, daß dir ein Fehler
unterläuft. Diesmal ist es passiert! Du hast vergessen, die Felsspalte zu
schließen. Du warst dir deiner Macht über mich zu sicher und vor allen Dingen
warst du zu sehr mit deinem Besucher beschäftigt, das ließ dich nachlässig
werden !« Karnhoffs Kichern klang wie das Meckern einer
widerspenstigen Ziege.
    Bracziskowsky
stand neben dem Albino mit dem wallenden, farbigen Gewand. Er spürte die Angst,
die Taikona beinahe körperlich ausstrahlte. Er stellte sich neben den Priester
des unheimlichen Götterkultes und stand noch unter dem Eindruck der Ereignisse,
die ihn unmittelbar in Bann gezogen hatten.
    Es war die
stärkste Halluzination, die sich ein Mensch denken konnte. Bracziskowsky hatte
nicht nur gesehen, er hatte auch fremde Stimmen gehört und widerlichen Atem
gerochen, der aus dem Schlund der Hölle direkt in seine Lungen gestiegen war.
    Taikona darf
nicht sterben, zuckte es durch sein Bewußtsein. Dieser Mann war zu einer
Schlüsselfigur für ihn geworden. Karnhoff durfte in seiner Kurzsichtigkeit
diesen Ort und vor allen Dingen den Kenner der Materie, Taikona, nicht
vernichten! Zu viele Fragen konnte dieser Mann noch beantworten, mußte sie
beantworten.
    »Was willst
du von mir ?« Taikona zwang sich zur Ruhe. Er ging zwei
Schritte nach vorn. Er mußte Zeit gewinnen. Sein Gesicht war angespannt, in
seinen dunklen Augen loderte wildes Feuer.
    »So gefällst
du mir schon besser, Taikona .« Johann Karnhoff hielt
die Säule wie eine Geliebte umschlungen. Die Luft schien elektrisch geladen.
Die Höhle war zu einem Pulverfaß geworden. Karnhoff konnte den Funken zünden.
    »Das ist
schon eine andere Sprache. Sie zeigt mir, daß du dich nicht sehr wohl in deiner
Haut fühlst !« Johann Karnhoff genoß offensichtlich den
Triumph, den er über