0633 - Wenn Druidenseelen trauern
Plätzen gestanden.
Wieder war ich nicht schnell genug, um einem Stein zu entgehen. Er traf mich an der Schulter, weil ich durch eine schnelle Bewegung meinen Kopf nach rechts gedreht hatte, denn der verfluchte Stein war auf mein Gesicht gezielt worden.
Ich packte mir den Werfer. Bevor er sich versah, hatte ich ihn herumgedreht und als Deckung vor mich gehalten. Er schrie, als es ihn erwischte, wollte sich befreien, doch mein Griff war eisenhart, er konnte ihn nicht sprengen.
Ich war zornig bis unter die Haarspitzen. Jemand steinigen zu wollen mochte vor zweitausend Jahren und mehr vielleicht modern gewesen sein, aber nicht heute.
Über das Gesicht des Mannes lief Blut. Er war in meinem Alter, in seinen Augen stand der Schock, ich presste ihn noch dichter an mich - und entspannte mich, ohne dass ich dabei allerdings meinen Griff lockerte. Meine Reaktion hatte andere Gründe.
Sie standen noch alle so, wie wir sie gesehen hatten, nur hob keiner der Leute mehr einen Stein auf.
Sie ließen die Dinger sogar fallen. Ich hörte die dumpfen Aufschläge und erkannte den Grund.
Es war Colette!
Sie hatte sich nicht zu Boden geworfen, das war auch nicht nötig gewesen, denn um sie herum lag ein fahler, grüngrauer Schatten.
Der Geist war gekommen!
***
Nicht nur die Bewohner der Insel waren von dieser Erscheinung fasziniert, ich ebenfalls, denn zum ersten Mal sah ich das Wesen, um das es eigentlich die ganze Zeit über gegangen war und das uns praktisch von London aus verfolgt hatte.
Ob Mann oder Frau, es war nicht herauszufinden. Der Geist sah gestalt- und auch geschlechtslos aus. Er war ein Schatten, ein Schemen, ein Gruß aus dem Jenseits, war zurückgekehrt und bewies, dass es diese geheimnisvollen Reiche gab.
Mich irritierte etwas seine grünliche Färbung, und ich brachte sie mit den Druiden zusammen. Außerdem war Colette als eine Druiden-Braut bezeichnet worden.
Colette schien gewachsen zu sein. Sie zeigte keine Angst mehr, die Umrisse des grünlich schimmernden Geistes umschlossen sie und machten sie unbesiegbar.
Der Mann, den ich festhielt, zitterte vor Furcht. Auch er konnte es nicht fassen und flüsterte genau die Worte, die ich hören wollte. »Die Druiden-Braut, sie ist es. Sie ist die Druiden-Braut. Alle haben Recht, alle. Sie wird uns vernichten, sie ist gekommen, sie wird uns töten. Sie wird die Insel fressen.«
Ich hielt mich zurück, Fragen sollten mir andere beantworten, wenn überhaupt.
Jetzt hätte eigentlich Lerain erscheinen müssen. Auf seine Reaktion wäre ich gespannt gewesen. Er aber hielt sich zurück, und auch die anderen Bewohner wollten nicht mehr.
Mütter fassten ihre Kinder an, gingen weg, erst langsam, dann schneller, schließlich rannten sie fluchtartig davon, um hinter den schützenden Mauern ihrer Häuser zu verschwinden.
Bevor mein Gefangener anfangen konnte zu betteln, ließ ich ihn frei. Er stolperte geduckt davon, die Hände gegen sein blutendes Gesicht gepresst. Zurück blieben Colette, der Geist und ich.
Sehr gemächlich ging ich auf sie zu, trat förmlich in eine Windbö hinein und vernahm das klagende Geräusch, als wäre diese Bö mit einer Stimme erfüllt.
Ich hatte diese jämmerlichen Töne eigentlich auf dem Friedhof erwartet, um so überraschter war ich, es hier auf der Dorfstraße zu vernehmen.
Colette sah mich nicht.
Sie stand auf der Stelle, den Kopf etwas zurückgelegt, einen entrückt wirkenden Ausdruck auf ihrem Gesicht, sodass es aussah, als würde sie Worten lauschen, die nur für sie zu hören waren und für keinen anderen.
Ich war mir nicht sicher, ob ich den Geist angreifen oder ihn gewähren lassen sollte. Bisher hatte er mich persönlich nicht bedroht, es bestand eigentlich kein Grund für einen Angriff, eventuell für einen Test, den ich mit meinem Kreuz versuchen wollte. Sollte es sich grün verfärben, dann war es der Beweis für eine Druidenmagie.
Über die Steine stieg ich hinweg. Sie lagen ungünstig und bildeten Stolperfallen.
Nur wollte der Geist nicht so wie ich.
Ich hatte kaum die Silberkette am Hals berührt, da verschwand er von einem Augenblick zum anderen. So schnell, dass ich nicht mehr seine Richtung hatte verfolgen können.
Zurück blieb Colette.
Eine einsame Person, allein, verloren wirkend und so, als wäre sie dabei, aus einem Traum zu erwachen, was von einem sehr lauten und tiefen Atemzug begleitet wurde.
Ich blieb dicht vor ihr stehen. Sie bemerkte mich nicht, denn sie schaute wie entrückt in die Ferne, als würde
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