0635 - Das Grab der Sinclairs
nur am Rande interessant. Hier ging es um große Dinge, da konnte man auf so etwas keine Rücksicht nehmen.
Den Griff hielt er mit beiden Händen fest. Seine Hände zitterten, als wollten sie das Schwert im nächsten Augenblick loslassen.
Mir gelang es zu reden. »Tu es nicht!« flüsterte ich, »warte damit. Bitte warte…«
Hörte er mich? Verstand er mich? Ich konnte nur bangen, zittern und hoffen.
Die Spitze berührte meine Brust. Durch den Stoff war sie gedrungen, um meine Haut mit einem leichten Schnitt aufzureißen.
Doch er stieß nicht zu.
Plötzlich bewegte sich das graue Dunkel. Ich bekam es nur am Rande mit, konnte es auch nicht genau erkennen, denn meine Augen brannten, als hätte man Säure hineingeschüttet, dabei war es nur der Schweiß, der sich seinen Weg gebahnt hatte.
Die Bewegungen, zunächst nur schattenhaft zu erkennen, nahmen allmählich Konturen an, als sie sich näher an mich und den Krieger heranschoben.
Menschen erschienen.
Es war noch kein Wort gesprochen worden, aber ich wußte, daß es sich dabei um die Amerikaner handeln mußte, die wieder einmal die weite Reise auf sich genommen hatten.
Sie gingen, und sie waren damit beschäftigt, ihre Schritte zu dämpfen. Deshalb schleiften ihre Sohlen über den Boden, wobei manchmal nur ein leises Knirschen zu hören war, wenn sie winzige Steine zertraten.
Von zwei Seiten bewegte sich die graue Masse auf mich zu. Stumme Gestalten mit hellen Gesichtsflecken, in denen sich nicht ein Muskel regte.
Als sie etwa zwei Schritte von mir entfernt waren, blieben sie stehen und senkten die Blicke.
Ein jeder schaute mich an.
Ich kam mir plötzlich nackt vor, wie jemand, der auf dem Präsentierteller oder auf einem Operationstisch liegt, wobei er von den Spezialisten umringt war, die herauszufinden suchten, wo sie mit der Operation zuerst anfangen sollten.
Die Spitze drückte nach wie vor gegen meine Brust. Der erste Schmerz war bitter gewesen, jetzt hatte ich mich an ihn gewöhnt, und er ließ sich ertragen.
Mir kam alles so weit weg vor, als wäre ich gar nicht dabei, denn die Männer taten nichts, bis auf einen, der sich aus der Reihe löste und einen Schritt vorging.
Er stand ziemlich dicht neben mir und bewegte seine linke Hand rasch zur Seite.
Dieses Zeichen galt dem Krieger, der ihm augenblicklich gehorchte und das Schwert von meiner Brust wegnahm. Wie ein Spielzeug hob er die schwere Waffe hoch, wartete ab, und überließ den anderen die Initiative.
Ich wußte nicht, wie es weitergehen sollte, aber ich ahnte mittlerweile, daß der Mann, der sich vorgeschoben hatte, so etwas wie ein Anführer der Gruppe sein mußte.
Er trug einen schwarzen Hut und eine Brille, die wegen ihres blassen Gestells kaum zu erkennen war. Auch sein Gesicht war blaß, irgendwo nichtssagend. Ohne die schwarze Kleidung hätte man ihn sofort vergessen, so aber blieb er in Erinnerung, möglicherweise auch wegen seiner Augen, die hinter den Gläsern so kalt und gefühllos wirkten, als sie auf mich hinabblickten.
»Das hätten Sie sich alles ersparen können, Sinclair«, sprach er mich an, und ich lauschte dem Klang seiner Stimme.
Mir kam er schlimm vor. Es war widerlich, flüsternd, überhaupt nicht laut, aber der Satz hatte bei mir eine Gänsehaut hinterlassen, nicht allein wegen seines Inhalts.
Da er mich angesprochen hatte, sollte er auch eine Antwort bekommen. »Ich weiß nicht genau, was Sie meinen, Mister, aber da Sie meinen Namen kennen, würde ich auch gern Ihren erfahren.«
»Das sollen Sie. Ich heiße Krooger.«
Ich überlegte und fragte nach einer Weile: »Müßte ich ihn kennen, Mister?«
»Nein, Sinclair. Nur wenige kennen ihn, darauf bin ich auch stolz. Aber diejenigen, die ihn kennen, sprechen ihn oft mit Schaudern oder mit Ehrfurcht aus.«
»Das verlangen Sie von mir wohl nicht.«
»Nein.«
»Da die Fronten jetzt geklärt sind, Krooger, möchte ich gern meine Lage ändern. Die Erde ist hart und…«
»Sie bleiben liegen, Sinclair!«
Es waren Worte, die ich begriff. Die Menschen hinter und vor Krooger rührten sich nicht. Sie standen stumm und überließen alles weitere ihrem Anführer.
Natürlich hatte ich am Klang seines Dialekts erkannt, daß Krooger aus den Staaten stammte. Dann mußten die anderen Männer ebenfalls diese Reise unternommen haben, um hier ihre Toten zu bestatten. Natürlich wollte ich den Grund wissen, ich würde Krooger darauf auch ansprechen, allerdings gab es ein Problem, das mir persönlich wichtiger erschien, und
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