0636 - Der dunkle Lord
versuchen können, ihn mittels der Bildkugel zu lokalisieren«, sagte Zamorra. »Komisch, daß man nie an das Nächstliegende denkt…«
»Männer eben«, sagte Teri, die wieder aus dem Pool kletterte. Sie drehte sich rasch im Kreis; ihr hüftlanges Haar flog und verschleuderte einen Schauer von Wassertropfen über Zamorra und Nicole.
»Wir können das ja nachholen. Momentan steht Caermardhin uns offen«, fuhr sie fort. »Allerdings glaube ich nicht, daß wir ein Wesen wie diesen Lord so einfach lokalisieren können. Merlin hat ihn mir zwar in der Bildkugel gezeigt, aber er blieb ziemlich unscharf. Genauer gesagt, seine Umgebung war nicht eindeutig zu identifizieren.«
»Dann vergessen wir's lieber«, winkte Nicole ab. »Die Mühe lohnt sich kaum. Wir sollten einen anderen Weg gehen. Teri, vorhin hast du auch Lamyron erwähnt.«
»Merlin hat ihn erwähnt«, schränkte Teri ein. »Er deutete an, daß Lamyron vielleicht unter dem Einfluß der Paradox-Magie stehen könnte.«
»Na, das ist doch schon etwas!« triumphierte Nicole. »Dann kommen wir über Lamyron an den Dunklen Lord heran.«
»Und wo finden wir Lamyron?«
»Zuletzt hatten wir in Australien mit ihm zu tun. Das ist jetzt etwa ein Jahr her.«
»Dann wollen wir mal hoffen, daß seine Postadresse sich noch nicht wieder geändert hat«, unkte Teri. »Zwei Jahre vorher war er in den Rocky Mountains, davor auf Gash'Ronn…«
»Da hat er es immerhin annähernd tausend Jahre ausgehalten«, warf Zamorra ein. »Er ist also ein durchaus beständiger Typ. Wir sollten in Australien nach ihm suchen. Unser Aborigine-Freund Shado könnte uns dabei sicher helfen.«
»Der?« Unwillkürlich zuckte Teri zusammen. »Na gut, wenn ihr meint. Ist schließlich ein netter Kerl, aber ein bißchen verrückt.« Sie tippte sich an die Stirn.
In diesem Moment erklang das Rufsignal des Visofons. Die Kommunikationsgeräte gab es mittlerweile überall im Château, erst recht draußen an der Terrasse. Der Bildschirm wurde hell und zeigte das Gesicht des alten Dieners Raffael Bois. Früher oder bei normalerer Wetterlage hätte er sich bestimmt persönlich herbemüht. So aber zog er es vor, die glühende Sommerhitze zu meiden und im kühlen Gebäude zu bleiben. Was ihm niemand zum Vorwurf machen konnte.
»Monsieur Zamorra, eben kam ein Anruf für Sie. Es scheint sich um eine interessante Beobachtung zu handeln.«
Die drei am Pool sahen sich an.
»Stellen Sie das Gespräch durch, Raffael«, bat Zamorra.
Der Bildschirm wurde wieder dunkel. Der Anrufer besaß ›nur‹ ein ›normales‹ Telefon, keine computergesteuerte Bildsprechanlage.
»Hallo, Professor?« erklang eine Stimme. »Ich möchte Sie ungern belästigen, und ich bin mir nicht sicher, ob es wichtig ist. Aber… wir haben hier gerade eine Art Engelserscheinung…«
***
Der Dunkle Lord nahm Kontakt zu Lamyron auf. Er belauschte den Propheten, und er verfolgte, was dieser tat. Es war erstaunlich; der Engel hatte Zamorra bereits so gut wie aufgespürt, befand sich in seiner Nähe. Dazu benutzte er eine Art der Fortbewegung, die dem Dunklen Lord fremd war.
Der Dunkle verstärkte seine Kontrolle. Er wollte jetzt nichts mehr versäumen. Und er wollte notfalls auch selbst eingreifen können.
Lamyron fing es immerhin sehr geschickt an…
***
Sie hatten es sich alle so schön vorgestellt - mit den Fahrrädern hinüber zu der kleinen, verträumten Uferstelle an der Flußbiegung, ein bißchen Feiern und Spaß haben, ein bißchen in der Loire schwimmen, viel Musik, gegen Abend ein Lagerfeuer.
Frederic hatte dazu extra den Fahrrad-Anhänger mitgenommen. Ein Kasten Cola, ein tragbares Radio und ein paar Kühlboxen mit anderen Getränken und der Verpflegung waren die Fracht. Corinne hatte ihre Gitarre dabei, und Charlotte hatte mit verwegenem Grinsen eine Packung Kondome hinter den Bund ihrer Shorts gesteckt; offenbar erwartete sie vom späteren Abend noch eine ganze Menge.
Unten an der Loire gab es genug Stellen, wo man zu zweit allein sein konnte, obgleich die anderen in unmittelbarer Nähe waren. Und in der kleinen Clique junger Leute zwischen 17 und 19 war es nicht ungewöhnlich, daß zwischendurch der eine mit der anderen mal für ein paar Minuten verschwand…
Und wenn schon ein paar andere da waren, machte das auch nichts. Meist fanden die Gruppen rasch zueinander; man kannte sich und wußte, was man voneinander zu halten hatte. Manchmal kamen auch der Professor und seine Freunde aus dem Château her, um sich ebenfalls
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