0636 - Der dunkle Lord
Hemmnis geworden. Er konnte nicht einfach das Schwert nehmen und Zamorra damit erschlagen.
Vielleicht hätte das auch dem Lord überhaupt nicht gefallen. Vielleicht wollte der ja selbst Hand an sein Opfer legen…
Wie auch immer, Zamorra lebte noch. Das war möglicherweise die bessere Lösung. Denn zum einen konnte der Dunkle sich jetzt selbst um seinen Gegner kümmern - die Verbindung war geschaffen worden -, und zum anderen, falls Zamorra doch anders war, als Lamyron bisher vermutete, traf den Propheten keine direkte Schuld an seinem Tod. Er hatte sich nicht mit Zamorras Blut befleckt.
Er war immer noch nicht völlig sicher, was er von Zamorra zu halten hatte… auch jetzt noch nicht!
Was führst Du da für gewagte Gedanken? donnerte eine Stimme in seinem Bewußtsein. Gehorche, und es wird nicht dein Schaden sein! Willst du dich gegen mich stellen?
»Natürlich nicht«, murmelte Lamyron. »Ich habe getan, was in meinen Kräften stand!«
In deinen Kräften stand noch ganz anderes, behauptete der Dunkle Lord zornig. Nun, es ist so geschehen, und du wirst dafür sorgen, daß die Geisel einen geschützten Platz erreicht, den der Feind nicht finden kann.
»Sicher«, seufzte Lamyron. »Ich bin ja schon dabei!«
Und er fragte sich, warum er das eigentlich tat. Warum er sich nicht einfach sträubte, zum Werkzeug eines anderen zu werden.
Aber er spürte die Kontrolle, die der andere über ihn hatte. Er konnte ihm nicht entkommen.
***
Kommen… dringend… Diese Worte schwirrten Nicole durch den Kopf. Was genau passiert war, hatte Zamorra, der das Handy dieses Bertrand Sasson benutzte, nicht gesagt. Aber etwas an Zamorras Stimme wollte Nicole nicht so recht gefallen und signalisierte ihr, daß die Aktion gründlich schiefgegangen war.
»Ich komme sofort!« hatte sie erklärt und zu Raffael zurückgeschaltet. Der befand sich in Zamorras Arbeitszimmer und hatte dort schnelleren Zugriff auf den Safe als Nicole, die erst nach oben hätte laufen müssen. Deshalb bat sie den alten Diener, ihr die Dinge nach unten zu bringen, die sie zu benötigen glaubte. Sie selbst wartete dann vor dem Kellerzugang.
Raffael brachte ihr einen der E-Blaster und das Zauberschwert Gwaiyur, aber er hatte auch noch ein Stückchen weitergedacht und drückte ihr ein Longshirt in die Hand, das er im Vorbeilaufen aus ihrem Zimmer geschnappt haben mußte.
»Etwas anderes habe ich in der Hektik nicht gefunden«, erklärte Raffael. »Es lag gerade griffbereit da. Ich komme mit dem Wagen nach, und dann bringe ich Zamorras Einsatzkoffer mit und Ihren Overall.«
Nicole lachte trotz der ernsten Situation kurz auf. Immerhin war sie eben im Begriff gewesen, im Evaskostüm zur Loire hinab zu eilen…
»Danke!« stieß sie hervor und drückte ihm einen Kuß auf die Wange, der den alten Mann erröten ließ. »Sie sind ein Schatz! Einfach unbezahlbar!«
Sie wandte sich um, stürmte die Kellertreppe hinunter und durch die notdürftig beleuchteten Gänge bis hin zu dem Kuppeldom mit den Regenbogenblumen. Währenddessen versuchte sie hastig, in das Longshirt zu schlüpfen, verhedderte sich dabei mehrmals, weil sie ja auch noch den Plastikgurt mit dem Blaster und das Schwert bei sich trug und weder das eine noch das andere aus der Hand legen wollte. Schließlich wollte sie es schon aufgeben, als es doch noch klappte. Das Shirt reichte bis knapp unter ihren Po; schmunzelnd überlegte sie, was wäre, wenn Raffael auf die Schnelle ein kürzeres Hemdchen erwischt hätte…
Sie trat zwischen die Regenbogenblumen und konzentrierte sich auf den vertrauten Platz am Loire-Ufer. Im nächsten Moment war sie bereits dort.
Auch wenn der Weg durch die schier endlos langen Kellerkorridore beinahe fünf Minuten gekostet hatte - so schnell hätte sie es mit dem Auto die Serpentinenstraße hinunter auf keinen Fall geschafft. Hastig schlang sie sich nun den Gürtel um die Taille und faßte das Schwert fester.
Ganz wohl war ihr dabei nicht; Gwaiyur war eine im wahrsten Sinne des Wortes zweischneidige Klinge. Diese Waffe suchte sich nach unbegreiflichen Kriterien selbst aus, ob es gerade mal für das Gute oder das Böse kämpfen wollte. So konnte es während eines Kampfes durchaus geschehen, daß das Schwert sich seinem Besitzer regelrecht aus der Hand drehte und dem Gegner zuflog. Auf diese Weise war vor vielen Jahren Zamorras Freund Kerr ums Leben gekommen. Seither benutzte Zamorra das Zauberschwert nur noch im äußersten Notfall.
Auch Nicole hegte ihre Bedenken. Aber
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