0637 - Nackt in die Hölle
Streit…«
»Dann hauen Sie endlich ab!«
»Sorry, das kann ich nicht. Ich muss mich auf dem Gelände und auch in dem Gebäude umsehen.«
Jetzt trat die kleine Kassentante sogar mit dem Fuß auf und kam mir vor wie eine Hexe. »Verdammt noch mal, ich habe Ihnen gesagt, dass die Frau nicht hier war.«
»Davon überzeuge ich mich lieber selbst!« Ich lächelte sie kalt an. »Den Eintritt zahle ich Ihnen gern.«
»Schieben Sie sich Ihr Geld in den Hintern! Wir haben geschlossen, verdammt!«
»Mein Besuch ist eben zu wichtig, um darauf Rücksicht nehmen zu können. Bitte, verstehen Sie das!«
Sie wollte nicht begreifen, war zunächst sprachlos, dann erklärte sie mir, dass sie die Polizei rufen würde.
»Das können Sie gern tun.«
»Wirklich?«
»Gern sogar.« Es war kein Bluff von mir, das merkte auch die Frau, denn sie drehte sich um.
»Es ist gut. Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Sie werden schon sehen.« Lachend ging sie davon und verschwand in ihrer Kassenbude.
Mit gerunzelter Stirn blieb ich stehen. Ihre letzten Worte hatten sich wie eine Drohung angehört.
Dieses Museum schien tatsächlich etwas Besonderes zu sein, und es hatte meiner Ansicht nach einiges zu verbergen. Ich glaubte nicht, dass sich die Frau mit der Polizei in Verbindung setzte. Sie würde zu anderen Tricks greifen. So beschloss ich, auf der Hut zu sein.
Überhaupt gefiel mir das leere Gelände nicht. Ich rechnete mit einer gigantischen Falle, in die Jane Collins hineingetappt war, und vielleicht passierte mir dasselbe.
Mit einer Flanke überwand ich das Tor, stand jetzt auf dem Gelände und sah vor mir den schmalen Weg, der in einem Bogen zum Haus hinführte.
Es war still. Um diese Zeit zwitscherten sonst Vögel, hier jedoch hörte ich nichts davon. Nur wenn auf der Bundesstraße ein Fahrzeug vorbeirauschte, trug der Wind das Singen der Reifen an meine Ohren.
Ich blickte wieder zurück, sah auch das graue Kassenhäuschen, aber nicht die Frau.
Um sie drehten sich meine Gedanken. Beim ersten Hinsehen hatte sie auf mich einen harmlosen Eindruck gemacht, dann waren ihre Antworten gekommen, ich hatte auch den Hass gespürt und den Willen, mich vom Gelände und dem Haus fern zu halten.
Was steckte dahinter?
Zunächst konnte ich mich in der Umgebung umsehen, ohne gestört zu werden. Niemand lauerte auf mich. Ich sah die Steine am Wegesrand und erkannte die sorgfältig geschnittenen Hecken, und mir fiel auch der höchste Baum des Geländes auf, eine Esche.
Ich änderte meine Richtung und ging auf den Baum zu, ohne einen bestimmten Grund dafür nennen zu können. Es war einfach der Baum, der mich interessierte.
Gab es an ihm, abgesehen von seiner Größe, etwas Besonderes? Ja, das war vorhanden.
Nicht der Baum selbst zeigte es mir, dafür mein Kreuz, das ich vor der Brust trug.
Plötzlich erwärmte es sich. Es schickte mir eine weißmagische Warnung, ein Zeichen, dass sich in meiner unmittelbaren Umgebung eine gewisse Gefahr zusammenbraute.
Mit angehaltenem Atem blieb ich stehen. Nur der Wind war in diesen Momenten zu hören. Er fuhr durch das Geäst der Esche und bewegte die jungen Blätter zitternd.
Lauerte mir jemand auf?
Mit der Zungenspitze feuchtete ich meine trockenen Lippen an, bevor ich mich der Esche näherte.
Sie besaß so etwas wie eine Magie, die auf mich wirkte.
Vor dem breiten Stamm blieb ich stehen. In seinem unteren Drittel war er von dichtem, kratzigen Gestrüpp umwachsen. Die Rinde sah aus wie eine alte, rissige Schale. Kerben, die die Jahrhunderte widerspiegelten.
Mein Blick glitt hoch.
Das Astwerk mit seinen zahlreichen Verzweigungen kam mir vor wie starke Arme, aus denen die Blätter wie Haare hervorschauten. Kein Vogel hockte dort oben, der Baum wirkte auf mich traurig, als würde die Last der Jahrhunderte ihn allmählich niederdrücken und irgendwann fällen.
Der Stamm war mächtig. Von mir nicht mit beiden Armen zu umfassen.
Ich holte das Kreuz hervor und streifte die Kette über den Kopf.
Der Baum reagierte nicht.
Dennoch ging ich davon aus, dass die Erwärmung meines Kreuzes ihren Ursprung in ihm hatte.
Mit dem Kreuz in der rechten Hand trat ich noch näher heran. Jetzt sah ich die Kerben, die Vertiefungen und Spalten in der Rinde noch deutlicher, beinahe zu vergleichen mit dem alten Gesicht eines Menschen, das vom Leben gezeichnet worden war.
Gesicht?
Es war das Stichwort, weil sich plötzlich in der dicken Rinde etwas bewegte.
Zu Beginn nur ein Flimmern, das aus der Tiefe des
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