064 - Der Frauenhexer
an die Wiederkehr des Hexers Gilbert Signefeu glauben. Bei Linda Scholz verhält es sich genauso. Eine genaue Diagnose läßt sich derzeit noch nicht stellen. Lassen Sie Thorsten Thorn ruhig weiterdrehen. Ich werde noch einige Tage hierbleiben. Und halten Sie auf jeden Fall Thorsten Thorn und Linda Scholz unter Beobachtung, Tag und Nacht.“
„Das ist leichter gesagt als getan“, erwiderte der Regisseur verstimmt. „Schließlich kann ich nicht mit Linda ins Bett steigen. Halten Sie die Lage wirklich für so ernst, Dr. Heydenreich?“
„Ernst genug, um mein Renommee als Fachmann und Wissenschaftler aufs Spiel zu setzen. Etwas geht hier vor, ich weiß nur noch nicht, was.“
„Okay.“ Schultz-Breitenberg nickte. „Dann bringen wir Thorsten Thorn bei, daß Sie für die nächsten drei Tage ein Doppelzimmer mit ihm teilen werden, Doktor. Bei Linda Scholz quartieren wir die Hillfahrt ein. Das ist eine resolute, zuverlässige Person mit einem Mundwerk, das sogar Geister in die Flucht schlägt. Nach diesen drei Tagen sehen wir weiter.“
So geschah es. Weder Thorsten Thorn noch Linda Scholz waren begeistert, als sie hörten, daß sie ihre Einzelzimmer aufgeben sollten. Doch Schultz-Breitenberg blieb hart. Er wies auf einen Artikel des Vertrages hin.‚ Der Darsteller’
Die Darstellerin verpflichtet sich, sich im Falle einer Krankheit oder einer gesundheitlichen Störung den Anordnungen des von der CENTRA-FILM gestellten Arztes zu unterwerfen’.
Das war klar genug. Besänftigt von der Zusicherung, daß alles nur drei Tage dauern sollte, bezogen Linda Scholz und Thorsten Thorn zwei nebeneinanderliegende Doppelzimmer im ersten Stock. Der Psychiater Dr. Heydenreich und die Schauspielerin Liliane Hillfahrt richteten sich wohnlich bei ihnen ein.
An diesem Abend waren alle Mitglieder des Filmteams bester Laune. Fünf Einstellungen waren abgedreht, es hatte keine störenden Zwischenfälle gegeben, alles war tadellos gelaufen.
Nach dem Abendessen spielten die Schauspieler und die Mitglieder des technischen Stabs im Hotel-Restaurant Karten oder unterhielten sich. Einige Paare tanzten ausgelassen zu den Klängen der Musikbox.
Schultz-Breitenberg ging um elf Uhr abends auf sein Zimmer und gab damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch. Schon um halb zwölf war das Restaurant wie leergefegt, und eine halbe Stunde später schliefen die meisten schon. Thorsten Thorn schnarchte so, daß der Psychiater kein Auge zutun konnte. Linda Scholz war schon vor elf zu Bett gegangen. Im gleichen Augenblick fast, als sie in die dunklen Tiefen des Schlafes glitt, kam der Traum, jener erschreckend realistische Traum.
Roxane von Falkenfels band ihren Zelter vor dem Galgenwirtshaus an. Ein hochrädriger Marketenderwagen stand davor. Der Stallknecht führte gerade ein starkknochiges Reitpferd in den Stall. Aus dem Wirtshaus drang das Grölen der Zecher.
Wieder einmal waren Truppen in der Nähe, wie so oft in dem von der Kleinstaaterei zerrissenen, von vielen Fehden, Kriegen und Kämpfen zerrütteten Deutschland. Der Habsburger Rudolf II. hatte nicht die Kraft und die Energie, seine hochfliegenden Pläne zu verwirklichen und dem Land endlich Frieden und Einheit zu bringen.
Roxane zögerte einen Augenblick. Doch sie mußte hinein, mußte Gilbert Signefeu sehen, jenen Mann, der aus unerfindlichen Gründen aus Frankreich hatte fliehen müssen und der in Deutschland eine neue Existenz gefunden hatte. Das Verhältnis zwischen dem Hause Habsburg und dem französischen Herrscherhaus Valois war gespannt. Franzosen waren in Deutschland nicht eben beliebt. Es wurde gemunkelt, Gilbert Signefeu gehöre zu den Hugenotten, die nach der Bartholomäusnacht 1572 geflohen waren und bei deutschen Fürsten Aufnahme gefunden hatten. Andere Gerüchte besagten, Signefeu sei ein Spion und Schlimmeres gewesen.
All das ging Roxane von Falkenfels durch den Kopf, als sie das Wirtshaus betrat. Landsknechte saßen an den Tischen, tranken, grölten und würfelten. Ein häßliches Weib mit bunten Kleidern und einem Gesicht, in dem alle Laster standen, saß bei ihnen. In einer Ecke standen langläufige Arkebusen zu einer Gewehrpyramide zusammengestellt.
„He, Täubchen, du willst sicher zu mir?“ grölte ein schwarzbärtiger Landsknecht.
Wie die andern trug er weite Pluderhosen und einen engen, gefütterten, bunten Rock. Das Wehrgehänge hatte er abgelegt, die engen Schaftstiefel ausgezogen. Er stand auf, kam auf Roxane zu.
„Ich bin der Profos“, rief
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