064 - Friedhof der Ghouls
würden klirren.
***
Bei den Rifkins im Nachbarhaus war von Sendebeginn bis Sendeschluß der Fernseher an.
Norma und Jesse Rifkin waren eines von jenen Ehepaaren, die sich nichts mehr zu sagen hatten, deshalb ließen sie sich vom Fernsehen unterhalten. Das bedeutete nun aber nicht, daß sie ständig vor der Flimmerkiste saßen. Wenn es Jesse Rifkin einfiel, ging er in den Keller, um die Kaninchen zu füttern, die sich dort unten in einem Küchenschrank befanden, den er zum Käfig umgebaut hatte. Oder er holte eine Flasche Wein herauf, die er zumeist allein trank, weil sich Norma aus Alkohol nichts machte.
Vor allem, wenn in das Programm ein Werbeblock eingestreut wurde, suchte sich Jesse Rifkin für die paar Minuten irgendeine Arbeit, um nicht zugucken zu müssen.
Aber Norma interessierte sich sehr für die Werbung. Sie war geradezu reklamesüchtig. Alles, was ihr angeboten wurde, nahm sie bereitwillig in sich auf, und Jesse Rifkin konnte sicher sein, daß sie schon in den nächsten Tagen loszog, um alles mögliche Zeug zusammenzukaufen, bloß weil ihr das Fernsehen eingehämmert hatte, daß sie das unbedingt haben müsse.
Während der Werbeeinschaltungen schaltete Norma Rifkin regelrecht ab. Alles um sie herum versank in grauer, nichtssagender Bedeutungslosigkeit. Sie war glücklich und fröhlich mit denen, die ihr in knappen Spots eine heile Welt präsentierten. Eine Welt, in der es nur strahlende Gesichter gab.
Mit einer Flasche französischen Landweins unter dem Arm stieg Jesse Rifkin die Kellertreppe hoch. Oben löschte er das Licht und schloß die Tür.
Da war ihm, als hörte er die Hilfeschreie eines Mädchens.
Er ging ins Wohnzimmer. Der Werbeblock war zu Ende, der Beginn einer Show, auf die sich Rifkin seit Tagen freute, stand kurz bevor. Er setzte sich in seinen Fernsehsessel und entkorkte die Flasche. Das Glas stand schon bereit.
»Hat vorhin im Fernsehen ein Mädchen um Hilfe gerufen, Norma?« wollte er wissen.
Seine Frau schaute ihn verwirrt an. »Ein Mädchen? Um Hilfe?«
»Merkst du dir denn nicht, was du siehst?«
»Doch. Natürlich. Da war kein Mädchen, das um Hilfe rief.«
»Es muß im Fernsehen gewesen sein. Wer sollte sonst um Hilfe rufen«, brummte Jesse Rifkin und nahm einen Schluck vom Wein, der herb war und einen angenehm pelzigen Geschmack auf der Zunge hinterließ.
Die Show fing an.
Rifkin griff nach der Fernbedienung und stellte den Apparat etwas lauter. Dann machte er es sich in seinem Sessel so bequem wie möglich, und an die Hilferufe verschwendete er keinen Gedanken mehr.
***
Sie hatten mit Augenzeugen gesprochen, die schaudernd über die Ereignisse in der Newgate Street redeten, und hatten Heather Ayres aufgesucht, die Schwester des Archäologen, doch das Ergebnis war nicht ermutigend. Von den Augenzeugen erfuhren Mr. Silver und Cruv nur, was sie ohnedies schon wußten, und Heather Ayres erklärte ihnen, daß ihr Bruder für sie ein Fremder wäre.
Sie wußte so gut wie gar nichts mehr von ihm. Er hatte den Kontakt abgebrochen, weil er befürchtete, seine Schwester könnte auf die Idee kommen, ihn um Geld zu bitten.
Dabei war sie heute glücklicher als damals, als sie reich gewesen war. Sie hatte einen interessanten Job, der sie ausfüllte, und sie wußte, daß es ihre Freunde ehrlich mit ihr meinten und es nicht nur auf ihr Geld abgesehen hatten.
Da sie sich für das Leben ihres Bruders nicht mehr interessierte, vermochte sie Mr. Silver und dem häßlichen Gnom auch keinen Tip zu geben, wo sie nach Russell suchen sollten.
Sie erachtete es als völlig ausgeschlossen, daß sich Russell bei ihr blicken ließ, versprach aber dennoch, sofort anzurufen, falls es dazu kommen sollte.
Das war im Moment der letzte Stand der Dinge. Mr. Silver war sauer, weil sie immer noch im dunkeln tappten. Jede Stunde, die verging, konnte für irgendeinen Menschen zur Katastrophe werden.
Russell Ayres brauchte sich nur über ihn zu ärgern.
Das ungleiche Paar saß in Tucker Peckinpahs Rolls Royce. Cruv lenkte das große Fahrzeug. Wie er die Pedale mit seinen kurzen Beinen bediente, war dem Ex-Dämon ein Rätsel. Irgendwie schaffte es der Knirps aber, so daß sich Mr. Silver auf dem Beifahrersitz ausstrecken konnte und nichts zu tun brauchte.
Cruv wies auf das Autotelefon. »Willst du nicht mal Vicky anrufen?«
»Wozu? Es gibt nichts Neues zu berichten.«
»Vielleicht hat Tony was gemeldet.«
»Dann hätte es uns Vicky bereits mitgeteilt.«
Der Gnom seufzte. »Alles muß man
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