0641 - Geisterbahn
sagte er zu Tina Averno: »Hör mal, Mädchen, ich glaube, dass es besser ist, wenn du noch etwas bei uns bleibst. Hier bist du sicher. Man kann nie wissen, was sich da zusammenbraut.«
»Wie lange denn?« Sie sprach, ohne uns anzusehen.
»Bis der Fall geklärt ist.«
»Geht das denn schnell?«
»Ich will es hoffen«, erwiderte ich. Hier gab es für mich nichts mehr zu tun, deshalb stand ich auf.
Als ich Tina berührte, schaute sie hoch. Ich reichte ihr die Hand. »Ich verspreche Ihnen, Tina, dass ich den Fall lösen werde.«
Sie nickte und sagte einen Satz, der mich tief traf. »Davon wird mein Freund auch nicht mehr lebendig.«
»Das stimmt leider. Aber ich kann dafür Sorge tragen, dass sich ähnliche Dinge nicht wiederholen.«
»Ja, das wäre gut…«
Tanner und ich verließen den Raum. Der Chiefinspector sah sehr sorgenvoll aus. »Kannst du mir eine Frage beantworten, John?«
»Wahrscheinlich nicht. Versuche es trotzdem.«
»Wie ist es möglich, dass diese verdammten Würmer oder Silberfische in die Wunde gelangen?«
»Da muss ich passen.«
»Hat dieser Dämon etwas damit zu tun?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls hörte ich zusätzlich, dass ein alter, gefährlicher Bekannter im Hintergrund seine Fäden zieht. Jemand, der Baphomet absolut treu ist.«
»Kenne ich den?«
»Vincent van Akkeren.«
Tanner überlegte. Er knetete dabei seine Nase. »Gehört habe ich ihn schon.«
»Er hat mit den Templern zu tun.«
»Das ist nicht mein Gebiet.«
Ich lachte. »Keine Sorge, darum kümmern wir uns, Tanner.«
Er hielt mich noch zurück. »Templer in der Geisterbahn oder wer auch immer? Gibt es so etwas?«
»Rechnen muss man mit allem.«
»Noch eine Frage. Wie sieht es mit Hilfe aus? Soll ich dir zur Seite stehen?«
»Wie meinst du das?«
Er verzog den Mund. »Seit meiner Kindheit bin ich nicht mehr mit einer Geisterbahn gefahren. Es wäre an der Zeit, dies wieder einmal auszuprobieren.«
Ich wiegte den Kopf. »Lass es lieber sein, Tanner. Mit einer Geisterbahn, wie du sie kennst, wird die neue Generation nichts mehr gemein haben. Denk an Linc Frazer. Da ist sie sogar lebensgefährlich.«
Eine Antwort bekam ich nicht. Tanner ließ mich gehen und schaute mir nachdenklich hinterher…
***
Für Suko war es nicht einfach, jemanden zu finden, der Nick Hymes kannte. Der Mann wohnte in einem dieser anonymen Blocks, wo die Fluktuation sehr groß war.
Man zog ein, man zog aus, das Publikum war sehr gemischt. Vom Bankangestellten bis hin zum schrillen Künstler reichte die Palette der Mieter, und Suko hatte im Haus bereits die unterschiedlichsten Typen gesehen.
Hymes wohnte in der dritten Etage. Da der Fahrstuhl belegt war, nahm Suko die Treppe.
Auf dem Flur sah es düster aus. Mehr Schatten als Licht, obwohl die Deckenlampen brannten. Er klingelte vergeblich, Hymes war nicht zu Hause. Wahrscheinlich ließ er sich auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle Zeit, und so richtete sich der Inspektor auf eine längere Wartezeit ein. Im Flur wollte er nicht hocken bleiben, da war unten die Halle schon besser geeignet, denn dort musste jeder Mieter durch, der seine Wohnung betreten wollte.
Das Haus lag nicht weit von der Themse entfernt. Die Mieter in den oberen Stockwerken konnten bis zum Fluss schauen. In der Nähe befanden sich zudem zahlreiche Lokalitäten. Kleine Bistros oder Pubs, aber auch Cafés, die zumeist von den Mietern besucht wurden, die mal raus aus ihren Wohnungen wollten.
Suko war froh, als er die stickige Luft und die misstrauischen Blicke der Mieter hinter sich gelassen hatte und in der Halle stand, wo einige Halbwüchsige herumtobten oder sich nach den Klängen ihrer Kopfhörermusik bewegten.
Um diese Zeit kehrten zahlreiche Menschen von der Arbeit zurück.
Suko hatte sich in eine Ecke gedrückt. Noch schien die Sonne in den großen Flur, wo die Luft sehr stickig war, vermischt mit Staub und Rauch, der als Wolken durch den Lichteinfall trieb.
Suko wartete. Die Jugendlichen umtanzten ihn, starrten ihn an, grinsten, auch provozierend oder gelangweilt, je nachdem, welche Klänge sie gerade hörten.
Suko lächelte nur. Nicht provozierend, sondern einfach nett, sodass die Tänzer sehr bald das Interesse an ihm verloren.
Dann kam Nick Hymes.
Er huschte noch durch die Glastür, bevor sie zuschnappen konnte, sah ziemlich erschöpft aus. Die Krawatte war mit ihrem Knoten nach unten gerutscht, das Jackett hatte er über die Schulter gehängt, aber seine Augen waren noch wach. Sie besaßen den typischen
Weitere Kostenlose Bücher