0642 - Horror im Harem
gewissermaßen verkleidet. Offiziell wird niemand das Bestehen eines Sultanats zugeben, das kannst du mir glauben, aber es kann Zwischenformen geben. Ich möchte da für gewisse Dinge meine Hände nicht ins Feuer legen. Wir sollten uns erkundigen.«
Plötzlich kam mir die Luft in dieser Kammer noch stickiger vor. Ich hatte den Eindruck, sie trinken zu können. Der Schweiß perlte auf meiner Stirn. In der Kehle saß der Kloß, und irgendwie kam ich nicht darum herum, meinem Freund Recht zu geben. Ich hatte es nicht nur glauben wollen, ich wollte mich einfach gegen die verdammten Tatsachen wehren, gedanklich sperren, weil ich die Vorstellung einer Entführung in den Harem nicht akzeptieren konnte.
»Es ist kein Märchen aus dem Morgenland«, sagte auch die Tänzerin. »Die reine Wahrheit.«
Mein Blick traf ihre dunklen Augen. »Sie wissen wirklich nicht mehr?«
»Nein.«
»Aber Sie haben mitgespielt.«
»Ja. Sir. In meiner Lage hätten Sie das auch getan. Mir blieb nichts anders übrig. Ich musste mitmachen. Es war einfach grauenhaft, furchtbar. Man hat mich gezwungen. Aber ich bekam ein sehr schlechtes Gewissen. Ich wollte etwas gutmachen, deshalb habe ich Sie zu mir gewinkt, wenn Sie verstehen.«
»Müssen Sie heute noch tanzen?«
»Gleich ist mein Auftritt. Ich sah, wie Sie den Raum betraten. Sie haben doch die Fläche gesehen.«
»Sicher.«
Die Frau hob ihre Schultern. »Dort arbeite ich. Die Gäste warten darauf. Bitte, glauben Sie mir. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Ich weiß auch nicht, in welchem Land sich die Frauen befinden…«
»Hoffentlich nicht in Libyen«, murmelte Suko.
»Aber von Afrika wurde gesprochen!«, sagte die Frau. »Das stimmt. Irgendwo in Afrika. Es gibt da Wüstenländer, wo diese Herrscher leben. In Mali, in der Region Sahara. Timbuktu, die alte Sklavenstadt, ist nach wie vor ein Umschlagplatz für die Ware Mensch. Da sollten Sie Ihre Nachforschungen anstellen.«
»Danke«, flüsterte ich. »Danke für die Informationen. Dabei wissen wir nicht einmal, wie Sie heißen.«
Die Frau winkte ab. »Das ist auch nicht so wichtig. Gehen Sie jetzt. Ich möchte nicht, dass man Sie bei mir findet. Es könnte gefährlich werden.«
»Natürlich.«
Suko öffnete die Tür und schaute in die Enge hinaus. Im Lokal spielte wieder die Musik. Die leisen Klänge dudelten hoch und erreichten auch unsere Ohren.
Die Frau schaute uns nicht nach. Sie hatte die Tür fest zugedrückt. Hintereinander schritten wir die Stufen herab. Jedes Geräusch ärgerte uns, aber wir gelangten unbemerkt bis in den Flur, wo wir eine Hintertür entdeckten, die uns an einer anderen Seite in den Hof brachte. Im Schatten der Mauer blieben wir als Beobachter stehen.
Jemand hatte Feuer gemacht. Um die Flammen herum hockten Halbwüchsige und kochten Wasser für ihren Tee oder was immer sie auch tranken. Die Musik drang aus dem Hinterhof-Café. Die schwere Luft war geschwängert mit ungewöhnlichen Gerüchen orientalischer Herkunft.
»Es sieht alles normal aus!«, murmelte ich.
»Das ist auch normal.«
Ich schüttelte den Kopf. Als wir zum Rover gingen, spukten mir Szenen durch den Kopf, die sich allesamt um einen Harem drehten. In meiner Fantasie entstanden die schrecklichsten Bilder, in deren Mittelpunkt Jane Collins und Glenda Perkins Höllenqualen erlitten…
***
»In einem Harem?«, fragte auch Sir James Powell, unser Chef, bevor er den Kopf schüttelte.
»Ja, Sir«, erwiderte ich. »Glenda Perkins und Jane Collins sind entführt worden, um sie in ein orientalisches Frauenhaus zu stecken, um es einmal vornehm auszudrücken.«
Der Superintendent war baff. Er schlug auf die Tischplatte und schaffte es erst nach geraumer Weile, die nächste Frage zu formulieren. »Wie kommen die Leute, die hinter allem stecken, gerade auf Jane und Glenda?«
»Das ist unser Problem, Sir«, gab ich zu.
»Haben Sie über den Grund nie nachgedacht?«
»Wir versuchten es.«
»Und weiter?«
»Nichts, Sir. Wir haben keinen Grund gesehen. Wir können ihn nicht nennen. Auch uns ist das alles mehr als suspekt. Aber die Sache ist von langer Hand vorbereitet worden, wenn ich daran denke, wie beide in die Falle gelockt wurden.«
»Und dabei sind sie misstrauisch.«
»Bauchtanz ist ›in‹, Sir«, sagte Suko. »Viele Frauen wollen die Kunst dieses Tanzes erlernen. Das tut ihrer Figur gut, sie leben dann so richtig auf, wenn Sie verstehen.«
»Kann sein, möglich. Von langer Hand vorbereitet«, murmelte unser Chef. »Meinen Sie
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