0642 - Horror im Harem
gefüttert wurden.
»He, ihr beiden, wacht mal auf. Spielt hier nicht die Toten, verstanden?«
Es war nicht gespielt, als Jane und Glenda mühsam ihre Augen öffneten, denn die lange Reise hatte sie doch ziemlich erschöpft. Vor ihnen hockte der Bärtige Halef. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn.
Die Augen blinkten, der kaum sichtbare Mund war zu einem kalten Grinsen verzogen. In den Händen hielt er zwei mit Wasser gefüllte Lederbecher.
»Trinkt, ihr müsst Flüssigkeit zu euch nehmen.«
Jane lachte ihn kratzig an. »Warum lassen Sie uns hier nicht einfach liegen und sterben?«
»Weil mir der Sultan sonst den Schädel vom Körper schlagen lassen würde.«
»Ach ja? Wäre schön.«
Halef sah aus, als wollte er Jane das Wasser ins Gesicht kippen. Er beherrschte sich und reichte Glenda zuerst den Becher, die ihn mit zitternden Fingern umfasste, gegen die Lippen führte und das mittlerweile lauwarm gewordene Wasser trank. Für sie allerdings war es zu einer Köstlichkeit geworden.
Auch Jane Collins griff zu. Sie konnte nicht beschreiben, wie sie sich fühlte. Dazu fehlten ihr eigentlich die Begriffe. Sie war matt, sie war ausgelaugt. Ihr war übel, und sie hätte sich am liebsten übergeben, aber sie riss sich zusammen.
Das Wasser belebte sie etwas. Beide Frauen tranken ihre Becher leer, die sie Halef zurückgaben, der im Schneidersitz vor ihnen hockte und sie anschaute.
Es störte die Frauen auch nicht, wie verdreckt ihre Kleidung war. Auch auf der Haut klebte der Staub der Wüste oder des Gebirges. Ihre Augen brannten, die Hände waren ebenso geschwollen wie die Füße. Sie fühlten sich eigentlich zum Wegwerfen und waren fast schon wieder froh, irgendwann eine Siedlung zu erreichen.
»Wie lange noch?«, fragte Glenda mit leiser Stimme. »Wie lange müssen wir noch unterwegs sein?«
»Vor der Dämmerung sind wir da.«
»Und wo ist da?«, wollte Jane wissen.
»In der Oase, im Palast des Sultans.«
Jane lächelte spöttisch. »Den gibt es tatsächlich?«
»Ja.«
»Das begreife ich nicht.«
»Ich will einmal so sagen. Er wird gern verschwiegen. Der Sultan Abdul Hamid hat hier sein Reich aufgebaut. Mitten in den Bergen, im Zentrum der Einsamkeit. Er will nur seine Ruhe haben, in Frieden leben, und man lässt ihn.«
»Nur ab und zu holt er sich Frauen für seinen Harem, wie?«, fragte Jane schon aggressiver.
»Das braucht et.«
»Dann ist er ein Verbrecher«, meldete sich Glenda. »Was Sie mit uns taten, ist Menschenraub.«
Halef hob die Schultern. »Seien Sie ehrlich gegen sich selbst. Wen stört es?«
Sein nachfolgendes Grinsen sagte den Frauen genug. Es würde niemanden stören. Dieser Sultan war im Gebiet der hohen Berge, im Refugium der Einsamkeit, der absolute King, daran ließ sich nichts ändern.
»Dürfen wir denn erfahren, in welch einem Land wir uns befinden?«, fragte Jane.
Halef tat, als müsste er nachdenken. Dann schnippte er mit den Fingern. »Was meint ihr denn?«
»Nicht in Europa.«
»Stimmt - Afrika.«
Diese Erklärung konnte die beiden Frauen nicht überraschen. Es blieben praktisch nur Afrika oder Asien. Beide Kontinente hatten gewaltige Ausmaße, deshalb erkundigten sich die Frauen speziell nach dem Land, in das sie entführt worden waren.
»Marokko!«
»Ha«, sagte Jane, »deshalb die Berge. Das Atlas-Gebirge, wie ich annehme.«
»So ist es. Eine wunderbare Welt, die man erforschen muss. Wer hier lebt, will niemals weg. So ergeht es auch den noch wilden Stämmen, wie ihr sicherlich wisst.«
»Unterstehen die auch dem Sultan?«
»Nein, aber sie akzeptieren ihn. Außerdem bekommen die Stämme oft genug Frauen von ihm.«
»Wenn der Sultan sie leid ist, nicht?«
»Richtig, Glenda, richtig.«
»Und wie lange dauert das in der Regel?«
»Manchmal eine Woche, aber er hat manche Frauen auch erst nach fünf Jahren abgegeben.«
Glenda lachte bitter. »Mal ehrlich, wie schätzen Sie denn unsere Chancen ein?«
»Ihr könnt, wenn ihr wollt und euch anständig benehmt, euch jahrelang im Harem aufhalten. Es wird euch an nichts fehlen. Ich kann euch versprechen, dass der Sultan großen Gefallen an euch finden wird, wenn ihr erst einmal gebadet und umgekleidet seid. Aber das wird sich alles noch ergeben.«
»Sie kennen ihn gut?«, fragte Jane.
»Einigermaßen.«
»Dann können Sie uns sicherlich sagen, wie er gerade auf uns gekommen ist.«
Halef schaute eine Weile in ihre Gesichter. Je mehr Zeit verging, um so stärker lächelte er. »Ich könnte euch jetzt fragen, ob
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