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0645 - Das ewig Böse

0645 - Das ewig Böse

Titel: 0645 - Das ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ließ ihn zu einem ruhigeren Ort in der Nähe des nördlichen Stadttors schweben und setzte ihn ab. Er sah zu, wie der Troll sich einen Moment lang suchend nach seinem unsichtbaren Retter umsah.
    »Verschwinde schon«, flüsterte der Zauberer. »Na mach schon.«
    Es erschien ihm fast so, als hätte der Troll ihn gehört, denn er lief plötzlich los und war im nächsten Moment in den Gassen verschwunden.
    Mit ein wenig Glück wird er es schaffen, dachte Prahil-Girad. Eine böse innere Stimme machte ihn jedoch darauf aufmerksam, daß in der Zeit, in der er einen gerettet hatte, vermutlich hundert andere gestorben waren.
    »Herr?« riß ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.
    Er drehte sich um und sah zur Tür. Sein Assistent Bor stand dort mit einigen Gepäckstücken. Er wirkte verstört.
    Prahil-Girad räusperte sich. »Hast du neue Nachrichten? Und bitte, erspare mir die schlechten. Die kann ich selber sehen.«
    Bor senkte den Kopf. »Dann muß ich schweigen. Ich kann nichts Gutes sagen.«
    Der Zauberer trabte mit gemessenen Schritten zu seinem Schreibtisch. Er nahm einige Papiere und tat so, als würde er sie lesen.
    »Was ist mit dem Palast?« fragte er dann fast unbeteiligt.
    »Der Mob hat ihn zerstört.«
    Seine Hand krampfte sich um das Dokument. »Die Fürsten?«
    »Tot.«
    Der Zauberer nickte. »Das hatte ich befürchtet.«
    Innerlich glaubte er zerbrechen zu müssen. Er kannte die drei Fürstenfamilien seit seiner Kindheit. Sie hatten ihn ausgebildet und erzogen, als er jung und unerfahren zum ersten Mal einen Huf in diese Stadt gesetzt hatte.
    Durch sie hatte er die Wunder der Magie entdeckt und die Verantwortung, die sie mit sich brachte. Sie hatten ihn zu dem gemacht, was er heute war.
    Mit einem wütenden Schrei fegte er die Dokumente, Tinkturen und Apparate vom Tisch, mit denen er ein Leben lang gearbeitet hatte. Seine Hinterläufe traten in den Schrank, der auseinanderbrach. Phiolen und Flaschen fielen zu Boden und zerbrachen.
    Jahrelang war Prahil-Girad sicher gewesen, sein Zentauren-Temperament unter Kontrolle zu haben, aber jetzt brach es aus ihm hervor wie aus einem Vulkan. Innerhalb von Minuten zertrümmerte er jeden Gegenstand in seinem Arbeitszimmer, bis der Raum dem Chaos unter seinem Fenster glich. Erst dann blieb er erschöpft stehen.
    Sein Assistent legte die Gepäckstücke zur Seite, trat mit immer noch gesenktem Kopf in das Zimmer und begann, einige Dokumente aufzuheben. Der Zauberer beobachtete schwer atmend, wie Bor mit seinem Ärmel den Dreck von einer Zauberrolle wischte.
    »Hör auf damit!« fuhr er ihn an.
    Bor schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht, Herr«, sagte er, während er liebevoll ein Blatt Papier glättete. »Ich diene Euch seit über zwanzig Jahren, und ich habe es nie bereut, Euch als Herrn gewählt zu haben. Ihr seid der größte Zauberer, den San jemals gesehen hat. Darauf war ich immer stolz. Wenn Ihr jetzt, in Eurer schwersten Stunde, schwach werdet, muß ich Euch dann nicht erst recht zur Seite stehen?«
    »Der größte Zauberer?« wiederholte Prahil-Girad wütend. »Was kann ich denn noch unternehmen? Ich schaffe es gerade mal, einen Troll ein paar Meter durch die Luft schweben zu lassen, aber sonst bin ich hilflos! Ich sehe, wie der Mob unsere Stadt niederbrennt und alles Magische tötet, aber ich kann die Menschen nicht angreifen, weil ich weiß, daß sie es nicht aus eigenem Willen tun. Anxim-Ha kontrolliert ihren Geist, und gegen diesen Zauber kann ich nichts ausrichten. Wenn du mich deshalb schwach nennst, bitte. Ich kann es nicht ändern.«
    Bor legte das Papier zur Seite und sah ihn ernst an.
    »Nein, das könnt Ihr wohl nicht. Aber Ihr könnt endlich aufhören, aus dem Fenster zu starren und das zu beklagen, was hier passiert und Euch, verdammt noch mal, um die magischen Wesen kümmern, die zu Hunderten auf Euren Besitz geflohen sind und hoffen, von Euch gerettet zu werden! Seit Stunden hält Eure Leibgarde einen Korridor zum Rand der Stadt offen. Sie warten, daß Ihr sie alle aus dieser Hölle führt und sie rettet. Wollt Ihr sie wirklich enttäuschen, Meisterzauberer von San-Lirri?«
    Prahil-Girad starrte seinen Assistenten mit offenem Mund an. Noch nie hatte er so mit ihm geredet. Eigentlich hatte noch nie jemand gewagt, so etwas zu sagen.
    Doch dann erkannte er zu seinem Erstaunen, daß Bor recht hatte. Er war so in seiner eigenen Hilflosigkeit versunken gewesen, daß er vergessen hatte, welche Verantwortung er besaß.
    Langsam neigte Prahil-Girad

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