0645 - Das Teufels-Denkmal
gekommen…«
Bevor wir noch eine Frage stellen konnten, war er in das Zelt getaucht und wenig später durch den offenen Ausstieg im Innern des Wohnwagens verschwunden.
Tamara breitete ihre Arme aus. Ein Zeichen, dass sie uns nicht hineinlassen wollte.
Wir standen da und warteten. Hinter uns bewegten sich die anderen Zigeuner. Sie hatten es zwar nicht hören können, aber instinktiv gespürt, dass sich etwas Schreckliches anbahnte.
Als ich mich umdrehte, sah ich sie wie eine Mauer stehen. Körper an Körper, schweigend, beklemmend und auch irgendwie drohend uns gegenüber, als wollten sie uns einen Teil der Verantwortung in die Schuhe schieben. Harry Stahl bewegte unruhig seine Hände, die aufeinander lagen. »Das gefällt mir alles nicht.«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht haben wir auch Glück gehabt.«
»Wie soll ich das denn verstehen?«
»Ganz einfach. Van Akkeren und Hoffmann haben sich diesen Ort bewusst ausgesucht. Ich denke, dass dieses erwähnte Denkmal eine bestimmte Rolle spielen wird.«
»Das der Teufel hinterlassen haben soll?«
»Ja.«
»Eine Legende«, flüsterte er.
»Warte es ab, Harry.«
»Nun ja, du hast die Erfahrung.«
»Das stimmt.«
Tamara beobachtete uns regungslos. Selbst ihre dunklen Augen erschienen mir leer. Das Licht malte ihren Schatten schräg auf den Boden. Der wiederum erinnerte mich an einen anderen Schatten, an diesen tödlichen Killer, der durch die Nacht huschen und sich seine Opfer suchen konnte.
Am Eingang des Wohnwagens entstand Bewegung. Im Wagen selbst brannte nun ein schwaches Licht.
Branco kehrte zurück. Er ging nicht mehr so geschmeidig wie vorhin. Leicht schwankend, den rechten Arm vorgestreckt, als suchte er einen Halt.
Tamara war sein Verhalten ebenfalls aufgefallen. Wir hörten sie stöhnen. Dann lief sie auf ihren Bruder zu. Etwa in der Zeltmitte trafen sie zusammen und fielen sich in die Arme. Jetzt sah es so aus, als wollten sie sich gegenseitig stützen.
Und beide weinten…
Ich hatte meine Hände zu Fäusten geballt. Die Fingernägel stachen in die Handballen. Neben mir flüsterte Harry Stahl sein »Ach du Scheiße…«
Die anderen Zigeuner waren unruhig geworden. Eine Frau gab einen langen, klagenden Laut von sich, der sich anhörte wie das Heulen eines Tieres und mir unter die Haut fuhr.
Branco drückte seine Schwester auf den Eingang des Wagens zu. Er selbst kam zu uns. Mit fahrigen Bewegungen wischte er seine Augen klar, blieb dicht vor uns stehen und nickte.
»Tot?«, fragte Suko.
»Ja, er ist tot…«
***
Branco hatte so laut gesprochen, dass auch die anderen ihn hören konnten. Auch wer kein Deutsch verstand, an der Aussprache war zu erkennen gewesen, dass es für den Sippenführer keine Rettung mehr gegeben hatte.
Die Menschen weinten, sie schluchzten, sie hielten die Köpfe gesenkt, klammerten sich aneinander.
Ich vernahm Worte, die mich an Gebete erinnerten.
Und Branco stand vor uns. Er riss sich unheimlich zusammen, auch weil er wusste, dass die Verantwortung auf ihm lastete.
»Darf ich ihn sehen?«, fragte ich.
»Nein! Kein Fremder darf sich seinem Totenbett nähern. Erst nehmen wir Abschied.«
»Es wäre vielleicht besser!«
»Ich will es nicht. Wir haben unsere Gesetze. Befolgt sie oder geht wieder.«
»Schon gut.«
Tamara kehrte zurück, weinend. Es war ein stummes Weinen, das mir persönlich unter die Haut ging. Ihr Gesicht zeigte die Blässe einer Leiche, und sie blieb neben ihrem Bruder stehen, der fürsorglich und tröstend einen Arm um die Schwester legte.
Ich wusste, dass sie trauerten, und ich kam mir auch wie ein Schuft vor, als ich die Frage stellte.
»Jetzt wirst du das Geheimnis des Sippenführers nie erfahren - oder?«
»Ich bin zu spät gekommen«, erklärte der Zigeuner müde. »Viel zu spät. Ich habe versagt, ich hätte es wissen müssen, als wir diesen Platz hier ansteuerten. Er hatte mir schon Hinweise gegeben, aber ich habe nicht auf sie geachtet.«
»Welche Hinweise?«
»Auf den Ort des Teufels.«
»Das Denkmal?«
»Ja.«
Er wollte nicht mehr mit uns sprechen. Zusammen mit seiner Schwester ging er an uns vorbei und zu den anderen hin. Er sprach mit stockender Stimme in das Weinen und Heulen hinein. Besonders die Stimmen der Frauen hallten wie das Klagen von Coyoten hinaus in die graue Finsternis der Pusztanacht.
Wir waren zur Seite getreten und fühlten uns innerhalb dieses Lagers ziemlich verloren.
»Das war eine Niederlage«, sagte Harry.
Ich widersprach ihm nicht, redete aber
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