0649 - Der Junge von Stonehenge
zogen.
Ein friedliches, ein schönes Bild, das eigentlich auf keine Gefahr hindeutete.
Auf einer alten Steinbrücke überquerte ich den River Avon, der sehr wenig Wasser führte. Paddler waren unterwegs. An den Ufern lagen die Menschen in der Sonne und ließen sich braten.
Eine halbe Meile hinter der Brücke bog ich ab, auf die Straße, die an den Steinen vorbeiführte. Sie trug die Nummer 360. Fast jeder Brite kannte sie. Sehr gerade schnitt sie in die flache Landschaft der weiten Talschüssel hinein, begleitet von den trägen Wassern des Flusses.
Die Steine kamen in Sicht. Ich sah sie vor mir und etwas nach rechts versetzt.
Aus dieser Distanz war noch nicht zu erkennen, welch einen Umfang und welch eine Größe sie besaßen, nur die runde Form des Zentrums wirkte wie eine Ballung, die sich zusammengefunden hatte, um sich gegen eine feindliche Umwelt zu verteidigen.
Mit dem Tempo war ich stark heruntergegangen. Zwar fuhr ich nicht im Schritttempo, viel fehlte allerdings nicht.
Die ersten Absperrungen und Warnschilder erschienen. Ich sah auf der Straße auch keine Fahrzeuge. Stonehenge lag in einer trügerischen Ruhe vor mir.
Vom inneren Kreis entfernt existierte noch der äußere Ring, der aus nicht so hohen Steinen bestand.
Wege und Zufahrten existierten ebenfalls. Nicht mehr als breite Trampelpfade, von denen einige von der Straße her in das Gelände hineinführten. Die Schranken interessierten mich nicht, auch nicht die aufgestellten Barrieren. Ich hatte an diesem Ort dienstlich zu tun und verschaffte mir den Zugang: Bevor ich durch die Lücke auf das eigentliche Gelände rollte und wieder in den Wagen stieg, schaute ich noch einmal hoch in den blauen Himmel wo sich die Segler in einer bewundernswerten Eleganz bewegten und die Winde ausnutzten.
Dann passierte es. Ich krampfte meine Hände unwillkürlich zusammen, als eines der Flugzeuge wie ein Stein nach unten fiel. Dabei hatte es eine schräge Flugrichtung eingenommen und würde, wenn alles stimmte, direkt vor oder auf mir landen.
Sehr schnell wurde die Maschine größer und…
Ich wollte den Augen kaum trauen, denn ich sah, dass es kein Flugzeug war, das mir entgegenstürzte, denn Segelflugzeuge bewegen ihre Flügel nicht wie Vögel.
Größer, dunkler, schwingender und dabei winkend setzte der Vogel zur Landung an.
Ein Vogel, der keiner war, sondern ein Wesen, dessen große Zeit einmal in Atlantis gewesen war und das den Sprung in die Gegenwart geschafft hatte.
In dieser Zeit war es für mich zu einem Freund geworden, einem verlässlichen Partner, dessen Namen ich aussprach, als er dicht vor der Kühlerschnauze des Rover zur Landung ansetzte. »Du - Eiserner?«
***
Ich hörte das leise Lachen, dann rutschte der Engel auf seinen Hacken noch ein Stück vor. Sehr geschmeidig faltete er seine Schwingen zusammen, stand wie eine rötlichgrau schimmernde Figur vor mir, mit einem Gesicht, in dem sich nichts rührte und nur die Augen lebten, denn in ihnen sah ich die Freude über das Wiedersehen leuchten.
Wir gingen aufeinander zu. Der Eiserne breitete die Arme aus. Er begrüßte mich wie einen Freund, den er lange nicht gesehen hatte. Und das stimmte auch.
Ich war davon überzeugt, dass er und ich an dem gleichen Fall
›klebten‹. Und wenn der Eiserne geschickt worden war, dann würde es nicht lange dauern, bis auch Myxin und Kara erschienen. Zwar lichtete sich das Dunkel um den geheimnisvollen Jungen nicht, aber ich glaubte mittlerweile daran, dass Atlantis uns eine Lösung bieten würde.
Der Eiserne trat zurück. Er schüttelte den Kopf und hob die mächtigen Schultern. »Es gibt Dinge, die auch mich überraschen, John. Unser Zusammentreffen gehört dazu.«
»Frag mich mal.«
»Wieso, John? Was treibt dich überhaupt in diese Gegend? Kannst du mir das erklären?«
»Stonehenge und ein Junge namens Tim.« Während der Worte hatte ich den Eisernen genau beobachtet. Mir war das Zucken in seinen Augen nicht entgangen. Für mich der endgültige Beweis, dass auch er sich mit Tim beschäftigte.
»Du also auch, John.«
»Richtig. Aber wieso nur du und nicht Kara und Myxin.«
»Beide scheinen hilflos gegen den Jungen zu sein.«
»Was?« Ich war geschockt. »Sie hilflos gegen eine Person, die dem Kindesalter kaum entwachsen ist?«
»Aber eine große Macht und Gefahr mit sich bringt und die Fläming Stones für seine Pläne ausgenutzt hat.«
»Das mußt du mir erzählen.«
In den nächsten Minuten standen wir wie zwei einsame Gestalten
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