065 - Überfallkommando
mehr und mehr wuchs. Sie konnte allerdings kaum verstehen, warum sie zornig wurde, denn er hatte doch offenbar die Absicht, ihr zu helfen.
»Ich weiß genau, was ich getan habe.« Sie versuchte, ruhig zu sprechen. »Ich habe nachts ein Auto gefahren, und ich habe mir irgendwie Ihren Haß zugezogen. Sie sind nun darauf aus, mir dasselbe anzutun, was Sie Ronnie angetan haben.«
»Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Sie unschuldig sind?« fragte er geradeheraus. »Oder daß Sie das Opfer polizeilicher Nachstellungen sind? Wollen Sie sagen, daß Sie das Gesetz nicht übertreten haben?«
Er wartete gespannt auf ihre Antwort. Als sie aber schwieg, wurde er mutlos.
»Sind Sie sich bewußt, daß Sie das Gesetz übertreten haben?« fragte er noch einmal.
»Auf diese Frage werde ich dem Richter Antwort geben«, erwiderte sie kühl.
»Wissen Sie, daß Sie Rauschgifte unter die Leute brachten?«
Ihre Lippen zuckten verächtlich.
»Mr. Bradley, Sie wiederholen sich wirklich zu oft! Dieselbe Geschichte haben Sie mir schon damals erzählt - auch Ronnie soll mit Rauschgiften gehandelt haben. Wollen Sie behaupten, daß ich dasselbe getan habe?«
Er sah sie durchdringend an.
»Haben Sie es getan?«
Sie wurde blaß vor Ärger und Zorn, wandte sich zur Tür und riß sie auf. Die Wärterin stand draußen und hatte den Kopf an den Türpfosten gelehnt. Sie interessierte sich wahrscheinlich für die Unterhaltung der beiden.
»Bringen Sie mich in meine Zelle zurück«, sagte Ann in entschiedenem Ton.
»Ist Mr. Bradley schon mit Ihnen fertig?«
»Ich bin mit ihm fertig«, sagte Ann.
Die Einsamkeit der Zelle tat ihr wohl. Sie zitterte vor Entrüstung. Wenn sie jetzt hätte sprechen müssen, hätte sie nur unartikulierte Laute hervorbringen können. Wie durfte er es wagen, sie so zu behandeln!
Bradley hatte das Wartezimmer auch verlassen. Niemand, der seine undurchdringlichen Züge sah, konnte ahnen, wie trostlos und verzweifelt er sich fühlte.
Als er eben in den Gerichtssaal gehen wollte, nahm ihn Sergeant Simmonds beiseite.
»Der Doktor sagt, daß Smith ein Beruhigungsmittel haben muß, bevor er zur Verhandlung kommt.«
»Smith?« Bradley erschrak plötzlich, als er sich daran erinnerte, daß er noch einen anderen Fall zu erledigen hatte, der viel ernster war als der von Ann Ferryman.
Vor einer Woche war bei der Beraubung eines Juwelierladens ein Angestellter ermordet worden. Der Mörder war zuerst entkommen, später aber doch verhaftet worden. Bradley wußte, daß der Mann ein Morphinist war, ein vollständig zerrütteter Mensch, der seinen Ruin der Tätigkeit Mark McGills zu verdanken hatte.
»Sie haben doch nicht etwa Smith vergessen?« fragte Simmonds lächelnd.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Bradley langsam. »Braucht er wirklich ein Beruhigungsmittel? Wie lange kann er denn ohne eine Dosis aushalten?« »Nicht länger als eine Stunde.«
Bradley nickte.
»Ich will dafür sorgen, daß sein Fall zuerst erledigt wird.«
Er wollte gerade fortfahren, als ihn Simmonds noch einmal zurückrief.
»Steen möchte Sie auch gerne sprechen. Er ist im Yard, aber sie haben ihn zu Ihnen geschickt.«
Bradley starrte seinen Untergebenen erstaunt an.
»Steen?« fragte er ungläubig. »Was ist denn da passiert?«
»Ich glaube, es ist gut, wenn Sie ihn sprechen. Er hat einen Brief vom Innenministerium.«
Bradley eilte zu dem kleinen Zimmer zurück, in dem er vorhin mit Ann gesprochen hatte. Dort wartete ein Mann auf ihn; er saß auf einem Stuhl und hatte seine unförmigen Hände auf die Knie gelegt. Er war schlank, eckig, sah etwas verlegen aus und trug einen schwarzen Anzug, der ihm zu groß war. Um den Hals hatte er ein Taschentuch geknotet. Als der Detektiv eintrat, erhob sich der Fremde und berührte die Stirn mit der Hand.
»Guten Morgen, Mr. Bradley. Man sagte mir, daß ich Sie hier finden würde.«
»Nun, was haben Sie denn für Sorgen, Steen?«
Der Mann machte eine geringschätzige Bewegung mit dem Kopf.
»Ich brauche polizeilichen Schutz. Sie wissen, daß ich vom Innenministerium komme. Es ist wegen dieses Libbitt ... Man sagt, daß seine Freunde mich beiseite schaffen wollen - aber ich glaube, ich werde sie zuerst kriegen.«
Er kicherte über diesen etwas sonderbaren Scherz.
»Gehen Sie nur einstweilen in das Zimmer des Gefängnisaufsehers«, erwiderte Bradley. »Ich werde nachher mit Ihnen sprechen, wenn meine beiden Fälle erledigt sind.«
»Nur zwei heute morgen?« fragte Mr. Steen
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