065 - Überfallkommando
sich von ihr befreien.
Und doch fühlte Mark keinen Haß gegen die Frau, deren Leben er aufs Spiel setzen wollte. Böswilligkeit gegen Ann hatte ihn nicht zu dem Plan getrieben, den er so kaltblütig überlegte. Sie war für ihn nur eine Schachfigur, die er opferte, um Vorteile zu gewinnen. Die Leidenschaft für Ann, die damals so plötzlich in ihm aufflammte, war längst wieder erloschen.
Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in einen Umschlag, den er mit großer Sorgfalt an »Inspektor Bradley, Scotland Yard« adressierte. Dann fuhr er in einem Taxi nach West End und warf den Brief auf dem Postamt von Charing Cross in den Kasten.
Es war kaum eine halbe Stunde vergangen, seitdem Ann den Brief geschrieben hatte. Sie wollte sich eben zum Ausgehen umziehen, als plötzlich das Telefon läutete. Sie war sehr verwundert, als sie Tisers Stimme hörte. Er hatte sie früher nur ein einziges Mal angerufen. Wie gewöhnlich sprach er aufgeregt und unverständlich, so daß sie ihn bitten mußte, seine Worte zu wiederholen.
». nach Bristol. Wollen Sie so liebenswürdig sein und Mark sagen, daß ich den ersten Zug versäumt habe, daß ich aber morgen gegen Mittag fahren werde. Ich habe vergeblich versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Legen Sie ein gutes Wort für mich ein, Sie wissen doch, daß Mark so schrecklich leicht aufbraust.«
»Wußte er denn, daß Sie nach Bristol fahren wollen?«
»Aber selbstverständlich - er hat mir doch den Auftrag dazu gegeben«, erwiderte Tiser nervös. »Ich versprach ihm, mit dem ersten Zug zu fahren .«
»Kommen Sie heute abend zurück?« unterbrach sie ihn.
»Nein, erst morgen abend - ich wollte so gern heute zurückkommen, aber Mark ... nun ja, Sie kennen ihn doch. Gibt es irgend etwas Neues? Ich bin so niedergeschlagen, meine Nerven sind am Ende. Könnten Sie nicht einmal mit Mr. Bradley sprechen und ihn davon überzeugen, daß das Versorgungsheim eine ganz harmlose Sache ist? Die Polizei verfolgt diese armen, unglücklichen Leute in der letzten Zeit mit einem Haß, den ich überhaupt nicht mehr verstehen kann. Auch dieser Sedeman macht uns viel zu schaffen. Manchmal kommt mir der Gedanke, daß er tatsächlich ein Polizeispitzel ist. Wollen Sie Mark meine Bestellung ausrichten?«
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er schon eingehängt. Ann setzte sich an ihren Schreibtisch und dachte angestrengt nach. Mark wußte also, daß Tiser verreisen wollte und an diesem Abend nicht in London sein würde. Warum hatte er sie dann diese Mitteilung schreiben lassen - und warum vor allem hatte er diesen unmöglichen Tiser mit »Mein lieber Freund« angeredet? Sie wußte, daß die Beziehungen zwischen den beiden gespannt waren; außerdem machte Mark keine unnötigen Komplimente.
Es fiel ihr auch ein, daß Mark noch niemals an Tiser geschrieben hatte. Und wenn er überhaupt schrieb, warum vereinbarte er dann eine Zusammenkunft im Hydepark? Für die Polizei war es doch kein Geheimnis, daß Tiser häufig zu Mark kam und mit ihm in Verbindung stand.
Ann grübelte lange Zeit über diesen Fall nach, aber schließlich faßte sie einen Entschluß und ging in die andere Wohnung hinüber. Mark war nicht zu Hause, wie ihr der Diener sagte. Sie trat in das Wohnzimmer ein. Auf dem Schreibtisch lagen Briefpapier und Umschläge; aus dem Papierkorb schaute ein zerrissener Umschlag hervor. Sie zog ihn heraus und las in Marks Handschrift das Wort »Inspektor« darauf. Mark hatte ihn anscheinend nicht benutzt, weil ein Klecks darauf gekommen war.
Verwirrt schaute sie auf das Kuvert, und plötzlich fand sie die richtige Lösung. Er hatte den Brief, den sie geschrieben hatte, an Inspektor Bradley geschickt! Sie versuchte verzweifelt, sich jedes Wort ins Gedächtnis zurückzurufen, aber sie hatte der Mitteilung so wenig Beachtung geschenkt, daß sie nur noch den allgemeinen Inhalt wußte. Bradley würde ihre Handschrift wiedererkennen, sie hatte ja schon mehrere Briefe mit ihm gewechselt. Sicher würde er zu der bezeichneten Stelle kommen, da er doch annehmen mußte, daß sie ihm etwas mitzuteilen hatte. Aber warum wollte Mark ihn dorthin bringen? Ein Schauer überlief sie bei diesem Gedanken.
Als sie in ihre Wohnung zurückkam, klingelte das Telefon wieder. Tiser meldete sich, und seine Stimme klang schrill vor Angst.
»Sind Sie es, meine liebe Miss Ferryman? Ich fahre nicht nach Bristol - mein Gedächtnis ist einfach fürchterlich in der letzten Zeit. Ich habe mich eben daran erinnert, daß Mark mir
Weitere Kostenlose Bücher