065 - Überfallkommando
bekümmerte sich nicht um Sedeman, und der Alte machte auch keinen Versuch, ihn auf sich aufmerksam zu machen; er blieb ruhig sitzen. Bradley nahm sich unaufgefordert einen Stuhl und zog ein kleines Etui aus der Tasche, das Mark verstohlen betrachtete. Aber der Polizeiinspektor machte keinen Versuch, den Deckel zu öffnen.
»Sie hatten früher immer eine Pistole bei sich, McGill? Sie hatte ein großes Kaliber und war kein Browning?«
Mark antwortete nicht, und Bradley wiederholte seine Frage.
Mark lächelte.
»Was soll denn das heißen? Hat etwa der alte Li gesagt, daß ich nach ihm geschossen habe?«
Tiser überlief es kalt bei dieser waghalsigen Frage.
»Das hat er nicht direkt gesagt«, erklärte Bradley bedächtig.
»Aber nehmen wir einmal an, ich behauptete, daß ich bei der Untersuchung des Fußbodens in Lady's Stairs - ich meine den Raum, aus dem Li Yoseph verschwand - zwei Geschosse im Holz entdeckte? Ganz kürzlich«, fügte er gleichgültig hinzu.
Mark wartete.
»Nehmen wir einmal folgende Vermutung an«, fuhr Bradley fort. »Diese beiden Geschosse wurden aus einer Pistole abgefeuert, die damals in Ihrem Besitz war und, soviel ich weiß, auch jetzt noch Ihr Eigentum ist?«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Mark kühl. »Daß ich Schießübungen in Li Yosephs Zimmer abhielt? Man kann dort allerdings seine Pistole ruhig abschießen, ohne viel Schaden anzurichten. Aber ich kann mich nicht besinnen, daß ich jemals in Li Yosephs Zimmer betrunken war - oder daß ich jemals eine Pistole besaß«, fügte er schnell hinzu.
Bradley öffnete jetzt das kleine Etui. Mark sah zwei spitz zulaufende Nickelgeschosse auf einem Wattebausch liegen. Die Spitze des einen war so umgebogen, daß es beinahe einem Fragezeichen ähnlich sah.
»Haben Sie schon einmal so etwas gesehen?« Bradley nahm sie in die Hand. »Nicht anrühren - nur ansehen.«
»Ich wüßte nicht«, sagte Mark ruhig.
»Nun, dann nehmen Sie sie einmal in die Hand. Haben sie dasselbe Kaliber wie Ihre Pistole?«
McGill machte keinen Versuch, die Geschosse zu berühren.
»Ich besitze keine Pistole. Ich trage niemals eine Schußwaffe bei mir - ich denke, das habe ich Ihren Leuten schon oft genug erklärt. Aber Sie sind ja immer skeptisch!«
»Das gehört nun einmal zu meinem Beruf - Skeptizismus trägt gewöhnlich ebensoviel zu unserem Erfolg bei wie Geduld«, meinte Bradley lächelnd, als er die beiden Geschosse wieder in das Etui zurücklegte und den Deckel zuschob. »In welcher Tasche tragen Sie gewöhnlich Ihre Pistole? Ach, ich vergaß, Sie haben ja überhaupt keine.«
Schnell berührte er Marks Hüfttasche, aber sie war leer.
Nicht ein Muskel in Marks Gesicht bewegte sich. Nur ein grausames Lächeln lag auf seinen Zügen.
»Nun, sind Sie jetzt zufrieden?«
Bradley steckte das Etui in seine Westentasche.
»Ja - beinahe.«
»Haben Sie die Geschosse aus dem Fußboden herausgeschnitten?« fragte Mark ironisch. »Wirklich, meine Achtung vor der Polizei ist um mehrere Grade gestiegen.«
»Wenn ich eben sagte, daß ich beide Geschosse in Lady's Stairs fand, dann habe ich einen kleinen Fehler gemacht. Ich fand nur eines dort - das andere entfernte ich aus einem Baum im Hydepark. Unsere Schießsachverständigen erklären, daß die beiden Geschosse aus demselben Pistolen-Typ abgeschossen wurden, aber es muß nicht notwendigerweise dieselbe Pistole sein. Das hätte ich den Leuten auch sagen können, denn Ihr Alibi war an jenem Abend unwiderleglich.«
Er holte das Etui wieder hervor und nahm das verbogene Geschoß heraus.
»Dieses fand ich in Lady's Stairs - zwölf Monate lang habe ich danach gesucht.«
McGills Lippen zuckten.
»Hat Li Yoseph Ihnen dabei geholfen?« fragte er leichthin.
»Ja, er hat mir geholfen.«
Bradley nahm ein Schriftstück aus der Tasche und legte es auf den Tisch.
»Ich werde jetzt dieses Haus durchsuchen - hier ist meine Vollmacht«, sagte er in geschäftlichem Ton. »Ich habe nämlich die Idee - es mag sein, daß ich mich irre -, daß ich in diesem Haus irgendwo ein Duplikat der Pistole finden werde. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich hier beginnen.«
Nur einen Augenblick sah McGill finster drein. Bradley fing diesen Blick auf und lachte.
»Ich bin nicht allein, McGill. Meine Leute haben das Haus umstellt. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich ein paar hereinrufen.«
Die Durchsuchung wurde ebenso planmäßig und gewissenhaft durchgeführt wie alle früheren. Der entsetzte Tiser saß auf der Ecke
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