0653 - Alfreds kleiner Horror-Laden
nicht, sie waren auf einen Punkt fixiert, nämlich auf mich.
Links von mir saß eine dunkelhaarige Frau, die ein Kleid aus schwerem Brokat trug. Es hätte eher ins letzte Jahrhundert gepasst und war für diese Jahreszeit vom Stoff her zu dick. Die Frau hatte dunkles Haar, relativ lockig und auch kurz geschnitten. Aus dem ovalen Ausschnitt schaute eine helle Haut hervor wie die Fläche eines matten Spiegels.
Elsa Hatfield kannte ich. Den jungen Mann neben ihr nicht. Er sah so völlig anders aus als die beiden Frauen. Für mich war er ein regelrechter Fremdkörper. Obwohl er in die Gegenwart passte, denn er sah aus wie eine Mischung aus Gruftie und Punk, erschien er mir hier völlig deplaziert. Auf seinen Knien stand eine dunkle Aktentasche, die er mit beiden Händen umklammert hielt, als wäre sie etwas ungemein Wertvolles.
»Das sind meine Gäste, Sir!«, meldete sich der Händler. »Haben Sie damit gerechnet?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, nein.«
»Das kann ich mir denken, Sir. Aber ich bin immer für Überraschungen gut.«
»Glaube ich mittlerweile auch.« Ich ging einen Schritt vor und konzentrierte mich auf Elsa Hatfield.
»Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen würden.«
»Ich auch nicht.«
»Darf ich fragen, was Sie hier machen?«
Sie lachte ätzend. »Ich habe hier gewartet.«
»Doch nicht auf mich.«
»Vielleicht schon.«
»Ach, kommen Sie.« Ich winkte ab. »Wie sollten Sie gerade auf mich warten?«
»Das Schicksal knüpft oft ungewöhnliche Netze, in deren Maschen man sich leicht verfangen kann.«
»Dann bin ich der Gefangene?«
»Das sehe ich so.« Sie drehte den Kopf und wandte sich an den Händler. »Weißt du eigentlich, Alfred, dass er Polizist ist?«
»Natürlich.«
»Und was noch?«
Alfred leckte über seine Lippen. »Er ist mehr, sogar viel mehr. Gibt es nicht auch Personen, die ihn als Geisterjäger bezeichnen? Ich meine mich erinnern zu können.«
»Sehr gut, Alfred. Sie haben Ihre Hausaufgaben ausgezeichnet gemacht. Gratuliere.«
»Danke.«
»Wussten Sie, dass ich kommen würde?«
»Eigentlich bin ich davon ausgegangen. Wissen Sie, ich habe es genau gespürt. Wenn man mit den Dingen in Verbindung steht, die einem früher einmal gehört haben, bekommt man gewisse Botschaften zugeschickt. Das ist ein großer Pluspunkt.«
»Sprechen Sie von Ihren Verkäufen, Alfred?«
»Ja, Mr. Sinclair. Lassen Sie es mich Ihnen erklären. Schauen Sie sich Tilly Erskine an. Sie trägt ein wunderbares Kleid. Das hat sie bei mir erworben. Kommen wir zu Teddy Arden. Er ist glücklich über seine alte Single-Sammlung aus den vierziger und fünfziger Jahren. Er wird mir immer dankbar sein.«
Arden nickte heftig, damit ich es auch mitbekam.
»Bleibt noch Mrs. Hatfield«, sagte ich.
»In der Tat. Sie hat das bei mir erworben, wonach Sie fragten. Das Richtbeil. Ich war besonders stolz darauf und wollte es erst nicht aus der Hand geben, aber meine liebe Mrs. Hatfield konnte mich davon überzeugen, dass dieses Beil bei ihr in den richtigen Händen ist. Nicht wahr, Elsa?«
»Ja, Alfred.«
»Klar«, sagte ich und nickte. »Einen Mord hat dieses verdammte Beil schon verübt.«
Darüber konnten Alfred und seine Freunde nur lachen. Sie taten es zugleich. Als der Händler verstummte, waren auch die anderen still. »Ich habe Ihnen ja schon gesagt, Sinclair, dass ich besondere Dinge verkaufe.«
»Was denn noch?«
»Da sollten Sie sich überraschen lassen.« Er breitete die Arme aus. »Schauen Sie sich um, Geisterjäger. Was Sie hier sehen, wirkt alles sehr normal. Aber ich frage Sie: Ist es auch normal?«
»Das müssen Sie besser wissen.« Ich ließ ihn gehen, als er auf den Tisch zu schritt. An seiner schmaleren Seite blieb er stehen, streckte den Arm aus und legte seine Handfläche auf die Platte des Totenschädels. Das sich bewegende Licht einer Kerze strich über sein Gesicht und den größten Teil der Brust. Es ließ den Mann aussehen, als befände er sich in ständiger Bewegung. Seine Helfer saßen nach wie vor bewegungslos auf ihren Stühlen und sahen so aus, als wollten sie sich selbst von ihrem Herrn und Meister überraschen lassen.
»Was ist mit dem Schädel?«, fragte ich. »Bisher habe ich noch keine Überraschung erlebt.«
»Finden Sie, dass er echt aussieht?«
»Schon.«
»Er hat mal zu ihm gehört!« Mit der freien Hand deutete Alfred über seine Schulter.
Ich schielte nach links und erkannte im Winkel an der Wand ein bleiches Gebilde.
Es war ein
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