0657 - Der letzte Henker
Zamorra und Tendyke unter vier Augen bereden wollten.
»Der Deputy ist noch nicht lange tot - zumindest in unserer Gegenwart«, sagte Zamorra. »Ich denke, ich werde mal am Fundort des Kopfes mit der Zeitschau nachforschen, was passiert ist. Vielleicht gibt es so etwas wie ein Zeittor, das direkt in die Vergangenheit führt.«
»Aber warum habe ich in den Jahrhunderten nichts davon bemerkt? Ich habe damals tatsächlich hier meinen Besitz genommen. Das sind jetzt über dreihundert Jahre!«
»Vielleicht ist es ein temporäres Zeittor.«
»Zamorra!« knurrte Tendyke. »Temporär heißt zeitlich. Ein zeitliches Zeittor - bist du irre?«
»Nein, aber Professor.« Der Dämonenjäger winkte ab. »Ich weiß selbst, daß jeder halbwegs vernünftige Lektor mir dieses doppelt gemoppelte Wort im Interesse eines gepflegten Sprachgebrauchs streichen sollte. Aber er wird es nicht tun, weil ich mit dem Begriff ›temporär‹ meine, daß dieses Zeittor nicht permanent funktioniert, sondern nur zu bestimmten Zeiten. Vielleicht vor dreihundert Jahren, vor zweihundert, vor hundert und jetzt wieder… über die genaue Aufteilung von Monaten, Tagen und Stunden werden wir uns notfalls noch einigen müssen. Erinnere dich daran, daß viele Spuk-Phänomene auch an bestimmte Zeitspannen gebunden sind. Beispielsweise nach sieben mal sieben Jahren geistert der kopflose Ahnherr mal wieder für sieben Tage durchs englische Spukschloß… oder so…«
Tendyke tippte sich gegen die Stirn.
»Haarspaltereien… Probier deine Zeitschau aus, und dann sehen wir weiter! Unser verhaftungsgeiler Sheriff wird dir sicher die genaue Fundstelle des Kopfes benennen.«
Sie war sogar mit Kreidestaub markiert.
Zamorra begann mit seinem Versuch.
Er aktivierte das Amulett mit einem Gedankenbefehl und stimmte es auf die Zeitschau ein. Dann versetzte er sich mit einem posthypnotischen Schaltwort in die erforderliche Halbtrance, in der er das Amulett steuerte. Der stilisierte Drudenfuß in der Mitte der handtellergroßen Silberscheibe verwandelte sich in eine kleine Bildfläche, die die nähere Umgebung zeigte.
Für Zamorra selbst war das Bild gar nicht so klein; auf mentalem Weg sah er es wirklichkeitsgetreu.
Ein Film schien rückwärts abzulaufen. Zuerst rasch, dann tastete Zamorra sich langsamer an sein Ziel heran. Und darüber hinaus, um anschließend wieder »vorwärts« der Gegenwart entgegenzugleiten.
Er sah, wie Deputy Bannard in sein Blickfeld geriet. Der Polizist griff zu seinem Handy. Er tippte auf die Tasten.
Eine andere Gestalt erschien. Ein halbnackter Mann mit entsetzlich runzliger Haut. Er sah aus wie sein eigener Tod, trug ein rotes Tuch um den Kopf gewickelt. Er trat aus dem Nichts hervor.
Zamorra stoppte die Szene, fuhr sie ein wenig zurück. Er näherte sich der Stelle weiter. Sah erneut den Fremden aus dem Nichts kommen.
Es war nicht ganz wie beim zeitlosen Sprung der Silbermond-Druiden. Eher wie… Zamorra zögerte. Er glaubte Schatten zu sehen, wo keine waren!
Aber er bekam es nicht besser justiert! Das Amulett zeigte ihm nur, was er auch mit bloßem Auge gesehen hätte, wenn er zu gleicher Zeit anwesend gewesen wäre.
Der Runzlige ging auf den Polizisten zu, der überrascht aufsah. Seine Waffe zog. Der Runzlige schlug ihn mit einem Fausthieb nieder. Dann nahm er den Revolver auf, betrachtete ihn. Er schien zu wissen, was das für eine Waffe war, dabei betastete und betrachtete er sie aber trotzdem wie etwas Fremdes. Dann legte er den Finger an den Abzug, und aus der Mündung stieß eine Flamme hervor. Der Mann ließ die Waffe erschrocken fallen. Dann bückte er sich, packte Bannard und lud ihn sich über die Schulter. Dafür, daß er alt und runzlig war, mußte er über erstaunliche Kraft verfügen; so schnell und schwungvoll waren seine Bewegungen.
Er verschwand an genau der Stelle, an welcher er aufgetaucht war, und wieder glaubte Zamorra Schatten zu sehen, deren Umrisse er kannte… aber da war nichts!
Und dann, plötzlich - flog der Kopf des Deputys aus dem Nichts hervor, rollte über den Boden, blieb liegen.
Es trat kein Blut aus. Das mußte schon vorher verströmt sein. Zamorra beendete die Zeitschau. Als er aufschaute, stand Tendyke neben ihm.
»Ich habe es mitverfolgt«, sagte der Abenteurer. »Der Runzlige war Ma-Chona. Der Calusa-Schamane. Ihn habe ich damals nicht töten können.« Zamorra seufzte. »Da kommt also Ma-Chona aus dem Nichts, schnappt sich hier Menschen, verschleppt sie, bringt sie um und wirft uns
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