0667 - Das Horrorhaus von Pratau
kannte die beiden jungen Männer. »Euch schickt der Himmel.«
»Wieso?«
»Man hat meinen Wagen geklaut.« Er öffnete eine der Fondtüren und hörte, wie ihm das Lachen entgegenschallte.
»Die alte Kiste?«
»Ja.«
»Wer klaut denn noch Trabis?«, fragte der Beifahrer.
»Vielleicht ein Sammler.«
»Hört auf, Mensch. Ich habe einen Fußmarsch von mehr als zehn Kilometern hinter mir.«
»Geht auch schon auf zwei Uhr zu. Dann wollen wir mal.« Der Fahrer startete und gab zu viel Gas.
Auf dem feuchten Belag geriet der Ford ins Schleudern, und Kraus kam nicht umhin, die beiden Knaben an die Unfallstatistik zu erinnern, die sich in den letzten Monaten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR dramatisch erhöht hatte.
»Wir doch nicht.«
»Seid lieber vorsichtig.«
Sie fuhren weiter. Keinesfalls langsamer, aber sie hatten Glück. Am Ortseingang von Wittenberg ließen sie Kraus aussteigen, denn die beiden jungen Leute wohnten in den grauen, kastenartigen Häusern links der Straße.
Den Rest konnte Werner Kraus zu Fuß gehen. Seine Mutter und er lebten in einem Haus aus den fünfziger Jahren. Der Besitzer hatte es vor zwei Monaten notdürftig renovieren lassen. Große Teile des Dachs waren geflickt worden, sodass es nicht mehr hineinregnete.
Die Haustür knarrte zum Steinerweichen, als Werner Kraus sie nach dem Aufschließen in den Flur drückte, wo es nach Essen, Sauerkraut, roch.
Wie immer bewegten sich auch die Stufen der Holztreppe, als hätten sie Schmerzen.
Leider musste er hoch bis in den letzten Stock. Es war der vierte, darüber existierte nur noch der Speicher, in den es hineingeregnet hatte. Da war die Wäsche manchmal feuchter von der Leine genommen, als sie aufgehängt worden war.
Werner Kraus' Mutter gehörte zu den Menschen, die nie vor Mitternacht ins Bett gingen und so lange in die Glotze schauten, bis Schnee kam. Um diese Zeit allerdings, in den frühen Morgenstunden, würde sie längst im Bett liegen, trotz des Farbfernsehers, den ihr Werner vor drei Monaten geschenkt hatte.
Er irrte sich. Als er die Tür aufschloss, sah er, wie das Licht brannte, und er hörte gleichzeitig das bekannte Rauschen der Toilettenspülung.
Seine Lippen zuckten, er schluckte, bekam für einen Moment weiche Knie, ohne den Grund zu kennen.
Dann öffnete seine Mutter die Tür. Sie trug den alten Morgenmantel, der mal lindgrün gewesen war, doch im Lauf der Zeit seine Farbe verloren hatte. Auf dem Kopf saß noch das Haarnetz, das sie immer dann trug, wenn sie einen Tag zuvor beim Friseur gewesen war.
»Du - Werner?«
»Ja, ich.«
»So spät?«
»Klar.« Er ging vor in den Wohnraum und machte dort Licht. Aus dem Schrank holte er eine Flasche Wodka. Er kippte zwei Fingerbreit der Flüssigkeit in ein Wasserglas, setzte es an und schluckte die Hälfte der scharfen Flüssigkeit.
Am Esstisch nahm er Platz. Sein Blick glitt ins Leere. Er holte tief Luft und bemerkte kaum, dass sich seine Mutter ihm gegenüber hinsetzte.
»Na, Werner? Was ist los?«
»Nichts, Mutter, überhaupt nichts. Nur dass ich einem Monster begegnet bin und dass man mir meinen wunderschönen Trabi gestohlen hat. Das ist alles.«
Frau Kraus sagte nichts. Ihre Hände strichen über die Tischplatte hinweg. Dann fragte sie leise:
»Kannst du mir das genauer erzählen, Werner?«
»Wenn du willst.«
»Ja, ich möchte es wissen.«
»Es ist aber nicht so einfach, Mutter. Wir haben - nun ja, es sind da Dinge passiert…«
»Trink noch einen Wodka, dann sehen wir weiter.«
Er leerte das Glas. Während seine Mutter noch einmal nachschenkte, begann Werner mit dem Bericht.
Frau Kraus hörte aufmerksam zu, doch irgendwann schlug sie ein Kreuzzeichen und fing an zu beten.
Werner stierte nur ins Leere…
***
Schlaf hatten wir in der Nacht nicht bekommen. Wir hatten allerdings eine alte Truhe gefunden, in der nun Nadine Berger gefesselt und geknebelt lag. Auch die Beine waren ihr in Höhe der Fußknöchel zusammengebunden worden.
Die Truhe war in einen Abstellraum gestellt worden, wo sie so leicht nicht gefunden werden konnte.
Dann hatten wir die Polizei alarmiert. Das war erst in den Morgenstunden geschehen, als die große Randale abgenommen hatte. Die Gäste hatten vorerst noch in ihren Zimmern bleiben müssen. So lange, bis die Leichen abtransportiert worden waren.
Kommissar Harry Stahl stand neben dem Ausgang und schaute zu, wie man die Leichen hinausbrachte. Er zählte für sich mit und schüttelte dann den Kopf.
»Wenn das in die Presse kommt,
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