0668 - Silva auf dem Höllenthron
nur angelehnt.
Sheila zog sie behutsam auf. Sie war plötzlich auf alles gefaßt, auch darauf, daß sie zu spät gekommen war und Silva nur noch als Leiche vorfand.
Der Raum war toll eingerichtet. Er traf auch ihren Geschmack. Dieses ländliche, gleichzeitig etwas Überladene, die Freude an voluminösen Stoffen und Dekorationen, das alles sagte ihr sehr zu, aber das erfaßte sie nur mit einem kurzen Blick.
Dann wurde es schlimm.
Blut, wohin sie schaute.
Auf dem Teppich, den Möbelstücken, den Stoffen. Ein furchtbares Muster, makaber hingesprenkelt, und sie konnte sich sehr gut vorstellen, daß dieses Blut nicht von Tieren stammte.
Etwa von Silva?
War die Person einem wahnsinnigen Killer in die Hände gefallen? Sheila hätte am liebsten das Weite gesucht, doch sie überwand sich selbst und ging vor.
Nein, es war nicht Silva, die tot am Boden lag. Rechts und links von ihr, jeweils dicht an den Zimmerwänden sah sie die Leichen der beiden Männer, die einen fürchterlichen Anblick boten. Jetzt wußte sie auch, weshalb das Zimmer so schlimm aussah. Hier mußte jemand mit einem Messer oder einem ähnlich schlimmen Gegenstand gewütet haben.
Sie zog ihre Schultern hoch. Ein Schrei des Entsetzens drang nicht aus ihr hervor. Sie hatte einfach gelernt, sich zu beherrschen, den Schock aber konnte sie nicht zurückdrängen. Er ließ sie bleich werden und zittern. Sie hatte Mühe, normal stehen zu bleiben, die Beine wollten nachgeben, aber sie schaffte es.
»Mein Gott!« hörte sie sich flüstern. »Mein Gott, wer tut denn so etwas…?«
Die Frage hatte sie sich halblaut gestellt, die Antwort schob sich in ihre Gedanken hinein.
Silva!
Sheila erschrak vor ihren eigenen Gedanken. Nein, das war eigentlich unmöglich. So wie sie das Model in Erinnerung gehabt hatte, war es ein sehr nettes Mädchen gewesen…
Andererseits dachte sie wieder an den Anruf. Da hatte Silva von einem Ausdruck in ihren Augen berichtet, der wirklich nicht normal gewesen war. Zweimal hatte sich die Teufelsfratze dort gezeigt.
Eigentlich ein Wahnsinn, überhaupt nicht nachvollziehbar, möglicherweise eine Einbildung, eine Lüge.
Oder doch nicht?
Sheila hätte die Wohnung am liebsten fluchtartig verlassen. Das wiederum brachte sie nicht fertig.
Irgendwo reagierte ihr Gehirn völlig automatisch. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte. Die Polizei mußte zuerst verständigt werden, dann wollte sie bei sich zu Hause anrufen. Möglicherweise waren Bill, Suko und John schon da. Ihr Mann hatte davon gesprochen, die Freunde nach dem Krankenhausbesuch noch auf einen Drink einzuladen.
Ja, so mußte es ablaufen. So und nicht anders. Mit einer sehr langsamen Bewegung wischte sie über ihre Stirn.
Das Telefon konnte sie einfach nicht übersehen. Es war ziemlich groß, schwarz und gehörte noch zu den alten Apparaten aus den fünfziger Jahren.
Sheila hatte sich schon zu dem Apparat umgedreht, als sie aus der Diele ein Quietschen vernahm, wie das von Türangeln.
Außer ihr und den beiden Toten befand sich noch jemand in der Wohnung! Wer? Der Mörder?
Das schoß durch ihren Kopf. Wilde und gleichzeitig ängstliche Gedanken. Sheila dachte daran, daß sie unbewaffnet war. Die Pistole lag im Haus. Wer lief auch schon mit einer Waffe durch die Gegend, wenn er einen Bekannten besuchte?
Die Luft war zwar gleich geblieben. Sheila hatte trotzdem den Eindruck, als würden Eiskörner herumfliegen, die sie auch berührten.
Dieses Zimmer war zu einer Falle geworden. Sheila mußte einfach weg, dann aber durch den Flur.
Wer lauerte dort?
Sie spürte den Druck zwischen Kehle und Magen. Er hing dort fest, sie bekam ihn auch durch Schlucken nicht weg, hielt den Atem an und lauschte in Richtung Diele.
Nichts mehr zu hören…
Eine Täuschung vielleicht? Es wäre ihr am liebsten gewesen, wenn die überreizten Nerven ihr einen Streich gespielt hätten. Obwohl nur wenige Sekunden vergangen waren, kam ihr die Zeit unheimlich lang vor. Es war einfach schlimm, sie stand wie in einem Morast, in dem sie sich kaum bewegen konnte.
Sie wollte zwar noch die Polizei alarmieren, nur von einem anderen Apparat aus. Draußen gab es sicherlich eine Zelle in der Nähe, hier erst einmal weg.
Ruckartig oder vorsichtig die Tür öffnen?
Sheila Conolly entschied sich für die erste Alternative. Sie zerrte die Tür mit einem heftigen Ruck auf.
Frei lag die Diele vor ihr.
Und sie sah auch die offene Tür zum Bad. Was hinter der Schwelle lag, interessierte sie nicht, sondern allein
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