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067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Davenport
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hielt mich noch immer fest, und der Druck verstärkte sich. Kreise drehten sich vor meinen Augen, die explodierten. Es waren bunte Ballons, die rasch größer wurden und wie Seifenblasen zerplatzten. Ich wand mich am Boden und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Das ist das Ende, waren meine letzten Gedanken, ehe ich in undurchdringliche Finsternis fiel.
     

     

Irgendwann erwachte ich. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Ich richtete mich auf, öffnete die Augen und blickte in Olivaros ernstes Gesicht.
    „Sie?“ fragte ich verwundert.
    Olivaro nickte.
    „Sie sind mein Sorgenkind, Dorian“, sagte er seufzend. „Was ist Ihnen nur eingefallen, nach Wien zu fahren?“
    Ich setzte zu einer Antwort an, doch nur ein heiseres Krächzen kam über meine Lippen.
    Olivaro war klein, er reichte mir kaum bis ans Kinn. Sein Gesicht war schmal, die Augen lagen zu weit auseinander, und der Mund war zu groß und voll. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, ihn für einen Dämon zu halten. Sein kurzgeschnittenes, an den Schläfen ergrautes Haar, verlieh ihm einen überaus seriösen Ausdruck.
    „Sie sind ein verrückter Narr“, sagte Olivaro.
    Ich blickte mich um. Ich saß auf einem Bett, und das Zimmer war hübsch eingerichtet.
    „Wo sind wir?“ fragte ich.
    „In meinem Hotel“, sagte Olivaro knapp.
    Er stand auf, rieb sich die Hände und schlug sie zusammen.
    „Ich verstehe das alles nicht“, sagte ich schwach. „Ich befand mich in Helnweins Zimmer, hatte einen magischen Kreis um mich gezogen und wurde plötzlich gewürgt. Dann fiel ich in Ohnmacht.“ „Dreimal dürfen Sie raten, wer Sie in Ohnmacht fallen ließ“, sagte Olivaro grimmig.
    „Sie?“
    „Wer sonst. Ich mußte Sie bewußtlos machen, sonst hätte ich Sie nicht aus dem magischen Kreis holen können.“
    „Aber ich dachte, daß Sie mit der Familie Zamis ein Bündnis eingegangen wären?“
    „Denken war noch nie Ihre Stärke, Dorian“, sagte Olivaro bitter. „Sie haben die Situation gründlich vermasselt. Mir ist noch nicht ganz klar, ob ich sie wieder bereinigen kann. Warum riefen Sie mich nicht an und erzählten mir, daß Sie Dokumente der Schwestern Reichnitz gefunden hatten?“
    „Ich schickte Ihnen doch ein Telegramm“, sagte ich trotzig.
    Olivaro seufzte. „Lassen wir das lieber, sonst kommt mir wieder die Galle hoch. Erzählen Sie mir erst einmal Ihre Erlebnisse, dann werden wir weitersehen.“
    „Ich habe Hunger, Durst und ein dringendes Verlangen nach einer Zigarette“, sagte ich.
    Die Zigarette bekam ich sofort, auf das Essen und Trinken mußte ich einige Minuten warten. Während ich aß, berichtete ich Olivaro, der mir schweigend zuhörte und nur gelegentlich den Kopf schüttelte. Als ich geendet hatte, blickte ich Olivaro erwartungsvoll an. Er schlug wieder die Hände zusammen, lehnte sich zurück und schloß die Augen.
    „Das wäre die Gelegenheit gewesen“, sagte er schließlich. „Aber jetzt ist es zu spät.“
    „Sie sprechen in Rätseln“, sagte ich.
    „Sie haben noch immer keine Ahnung, worum es eigentlich geht?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Das dachte ich mir“, sagte Olivaro. „Ich werde Ihrem Gedächtnis ein wenig nachhelfen. Sagt Ihnen der Name Ferdinand Dunkel etwas?“
    „Nie gehört“, sagte ich.
    Olivaro nickte kummervoll. „So hießen Sie einmal. Es ist schon einige Zeit her. Versuchen Sie sich zu erinnern! 1713. Ihr Name ist Ferdinand Dunkel. Sie sind der Sohn reicher Bürgersleute. Versuchen Sie sich zu erinnern!“
    Ich schloß die Augen. Ferdinand Dunkel.
    „Ich kann mich nicht erinnern“, sagte ich schwach.
    „Sie liebten ein Mädchen, das Steffi Brunner hieß.“
    „Steffi?“ rief ich. „Aber so heißt doch auch …?“
    Olivaro nickte. „Funkt es noch immer nicht?“
    „Nein“, sagte ich.
    „Sehen Sie mich an, Dorian! Blicken Sie mir in die Augen!“
    Ich folgte seiner Aufforderung. Seine Augen weiteten sich. Sie wurden immer größer, sie glühten. Ich fühlte mich schwach. Nur mit Mühe konnte ich die Augen offenhalten.
    „1713“, sagte Olivaro. „1713. Ferdinand Dunkel. Erinnern Sie sich! Erinnern Sie sich!“
    Olivaros Augen kamen mir nun so groß wie Wagenräder vor. Sie flackerten leicht. Ich wurde immer müder. 1713. Ferdinand Dunkel. 1713.
    Mein Herzschlag setzte aus. Olivaros Augen verschwammen, und ich fiel in einen unendlichen tiefen Schlaf, immer tiefer, aber es war angenehm. Der Schacht nahm kein Ende.
    1713. Ferdinand Dunkel. 1713.
    Nebel umgab mich,

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