067 - Monster-Bestie Gorho
Menschen in diesem Land konnten sich von einem gewissen
Aberglauben nicht ganz freimachen. Zu sehr bestimmten die mystischen
Vorstellungen und Erzählungen aus der Kindheit, die alten Gespenster- und
Geistergeschichten, die Psyche.
Franco del Calvados wurde am Flughafen bereits erwartet.
Capitano Alfredo de Mercado stand an der Abfertigung und
begrüßte seinen frühen Gast, der mit einer speziell für ihn gecharterten
Sondermaschine auf Jorge Chavez gelandet war.
Alfredo de Mercado war breit und untersetzt und trug
einen schmalen, fettglänzenden Lippenbart. Da ihm ein Funkbild der
PSA-Beauftragten vorlag, erkannte er den Besucher sofort.
De Mercado führte Calvados zu dem bereitstehenden
frischpolierten Chrys1er, der vor dem Flughafengebäude parkte.
Der Capitano steuerte den schweren Wagen selbst.
»Gibt es was Neues?« erkundigte sich Franco del Calvados.
Del Calvados beobachtete den Mann neben sich. Alfredo de
Mercado machte den Eindruck eines gutsituierten Mannes, der genau wußte, wie
und wo er eine Sache anpackte und zielstrebig zu Ende führte. Aber jetzt wirkte
er seltsam überreizt und nervös, und es schien, als wäre sein Weltbild gehörig
ins Wanken geraten.
Er leckte sich über sein Lippenbärtchen und zuckte die
Achseln. »Eine komische Sache, das mit der Katze«, murmelte er.
»Mit welcher Katze?«
»Die Katze einer Sekretärin. Wir hatten sie seit einiger
Zeit im Revier. Es gab dort schon immer Mäuse, aber in der letzten Zeit haben
sie sich vermehrt wie die Meerschweinchen. Pedrilla de Santos versprach vor
drei Wochen, ihre Katze mitzubringen.
Das Tier gehörte seit dieser Zeit gewissermaßen zum
Inventar des Reviers und genoß die Freiheit, sich überall herumschleichen zu
dürfen. Die Mäuseplage wurde merklich eingedämmt. Die Katze wurde dick und
fett. Ob im Keller, auf dem Dachboden oder in den Revierstuben: die Katze
tummelte sich überall. Heute nacht nun, als die Götzenfigur von meinem
Mitarbeiter in mein Büro gebracht wurde und kurz darauf der scheußliche
Selbstmord dieses Mannes passierte, muß die Katze sich dort im Büro aufgehalten
haben.
Aber keiner hat sie gesehen. Vorhin als ich noch mal im
Büro war, bin ich Zeuge eines Vorfalls geworden, der mich aufs äußerte
erschreckt hat. Die Katze stand auf dem Tisch, hatte die Skulptur entdeckt und
schnupperte an ihr. Ich beobachtete das Tier genau.
Zehn Minuten später zeigte es ein völlig anderes und
aggressives Verhalten. Es fauchte und lief ständig im Kreis herum, als wolle es
nach seinem Schwanz schnappen. Es biß hinein, biß in seinen Rücken, zerrte
ganze Fleischstücke heraus und zerfleischte sich schließlich in einer
unbändigen, unverständlichen Wut selbst!«
●
Zuerst fuhren sie zum Städtischen Leichenhaus.
Der diensthabende Angestellte trug einen schmuddeligen
Kittel. Der Mann ging gebückt und machte einen abwesenden Eindruck. Er roch
nach billigem Schnaps und seine Augen waren gerötet.
Der Angestellte ging ihnen mit schlurfenden Schritten
voran und führte die beiden Männer durch die kahlen, gefliesten Hallen, in
denen die abgedeckten Bahren standen. An den Fußenden der Bahren hingen
Pappzettel mit Ziffern und Nummern versehen.
Franco del Calvados bekam die beschlagnahmten Leichen von
Rafael de Criola, von Pedro Managua und dem Polizisten zu sehen. Der Anblick
war nichts für zartbesaitete Naturen.
Auch del Calvados drehte sich der Magen um.
Wortlos verließen der Capitano und der PSA-Beauftragte
das Leichenschauhaus.
Es dauerte noch eine Weile, ehe del Calvados wieder etwas
sagte. Da waren sie schon fast am Revier.
»Es gibt nicht mehr den geringsten Zweifel, daß bei allen
dreien ein unerklärlicher und ungeheurer Selbstzerstörungstrieb aufgetreten
ist«, murmelte del Calvados, als Alfredo de Mercado am Revier vorfuhr. »Gibt es
einen Hinweis darauf, woher die Götzenfigur stammt?«
»Im Augenblick arbeiten meine Leute daran,
herauszufinden, wo Rafael de Criola sich in den letzten zwei bis drei Tagen
herumtrieb. Wenn wir das wissen, kommen wir möglicherweise einen Schritt
weiter. Wir gehen von der Überlegung aus, daß de Criola die heiße Waren bei
Pedro Managua loswerden wollte. Außerdem ist uns bekannt, daß de Criola kein
Einzelgänger war. Er arbeitete grundsätzlich mit seinem Bruder zusammen. Wo der
sich im Augenblick aufhält, interessiert uns besonders.«
»Auch er könnte nicht mehr am Leben sein.«
»Das ziehen wir ebenfalls in Betracht. Dann aber müssen
wir alles
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