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0671 - Der vergessene Gott

0671 - Der vergessene Gott

Titel: 0671 - Der vergessene Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Erde
    Aufzeichnungen des Zentaurenfürsten Cumil-Logropatek
    Heute ist der zwölfte Tag unserer Gefangenschaft. Ihr Götter, wie konnte ich nur so dumm sein zu glauben, irgendwo auf dieser Welt wären wir vor Cäsar sicher?
    Seine Legionen überraschten uns in der Nacht, als wir uns auf einer großen Lichtung schlafen gelegt hatten. Wir waren an diesem Tag auf der Suche nach einem guten Platz für eine Stadt lange marschiert. Unsere Bedürfnisse sind einfach: Ein klarer Strom, ein guter Boden für den Ackerbau und große alte Bäume, um unsere Behausungen zu errichten.
    Eine Woche bereits zogen wir auf diese Weise durch die Wälder Galliens und hatten von den gefürchteten Barbaren keinen gesehen. Jedoch hatten viele von uns das Gefühl, von allen Seiten beobachtet zu werden. Vielleicht war es aber auch nur der dunkle Wald, der die Phantasie überschäumen ließ.
    Wie hätten wir auch ahnen können, daß es nicht die Barbaren waren, die nach unserem Leben und unserer Freiheit trachteten, sondern die Truppen des verfluchten Cäsar, die in einem neuerlichen Feldzug die Grenzen des römischen Reichs weit hinter sich gelassen hatten und nach Gallien vorstießen.
    In jener Nacht überfielen sie uns. Der Kampf war kurz. Es gab nur wenige Tote auf beiden Seiten, denn als ich die Überlegenheit der Legion sah, befahl ich, den Widerstand einzustellen. Man nahm uns gefangen und führte uns in Ketten in das römische Lager.
    Dort leben wir jetzt seit nunmehr zwölf Tagen unter erbärmlichen Umständen. Die Legionäre behandeln uns wie Vieh, und ich bin sicher, daß viele von ihnen uns lieber schlachten als bewachen würden.
    Sie haben rund um eine kleine Lichtung einen Palisadenzaun errichtet, der uns an der Flucht hindern soll. Die Lichtung selbst, auf der wir hausen, bietet keinen Schutz vor den Kräften der Natur, und alle leiden unter der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht. Um jeden Schluck Wasser und um jedes Stück Brot müssen wir bei den Wachposten betteln. Sie geben uns nie genug Wasser, um uns zu reinigen, und so stinkt es auf der Lichtung furchtbar. Das ist besonders schlimm für die Elfen unter uns, die reinlicher sind als die meisten Völker, die ich kenne - einschließlich der Menschen.
    Die Stimmen der Verzweiflung werden immer lauter, aber ich weiß nicht, wie ich sie trösten soll. Ich kann mein Volk doch nicht belügen und ihm sagen, daß alles gut werden wird, wenn ich selbst nicht daran glaube.
    Eine andere Person hat weniger Skrupel. Wie ich es befürchtet habe, steigt Arakis Einfluß in dieser Stunde unserer Not. Ihr scheint unsere mißliche Lage nichts auszumachen, im Gegenteil, ich sehe, wie sie von Tag zu Tag aufblüht und immer mehr Krieger um sich schart. Gemeinsam mit ihnen plant sie die Flucht aus dem Lager oder den Angriff auf die Legionen, je nachdem, was ihr Gegenüber gerade hören möchte.
    Ihre Worte finden Gehör, denn die Gefangenschaft demütigt die Krieger, die lieber im Kampf gestorben wären und die Waffen nur widerwillig auf meinen Befehl niederlegten. Ich weiß, daß sie mich für schwach halten, aber ich kann nicht nur an ihr Wohlergehen denken. Es geht vor allem um die Kinder, die zwischen den Fronten aufgerieben worden wären. Für sie führte ich mein Volk in die Gefangenschaft.
    Araki umgeht diesen Aspekt geschickt und appelliert nur an die Ehre der Krieger. Ich habe sie gewähren lassen, weil ich dachte, früher oder später würden die Krieger begreifen, daß ihre Worte nicht mehr sind als leeres Geschwätz. Gestern jedoch ist etwas geschehen, das mich an der Weisheit meiner Entscheidung zweifeln läßt.
    Gegen Mittag, als die Hitze fast unerträglich geworden war und die Stechmücken wie eine Wolke über uns standen, verschaffte sich ein junger Zentaur Gehör. In der Hand hielt er eine Papyrusrolle, die er angeblich einem Legionär abgekauft hatte. Womit er sie hätte bezahlen sollen, weiß ich nicht, denn man hat uns alle Besitztümer abgenommen. So zweifelte ich bereits an seiner Geschichte, bevor er sie dargelegt hatte. Der Zentaur sagte, der Legionär hätte die Rolle in den Satteltaschen eines ermordeten Händlers aus Damaskus gefunden und sie in der Hoffnung, sie könne wertvoll sein, mitgenommen. Da der Legionär weder lesen noch schreiben kann, blieb ihm die Bedeutung der Schriften verborgen. Erst der Zentaur erkannte, worum es sich dabei handelte. Er machte eine Sprechpause, um die Spannung zu erhöhen, und begann dann, den Text vorzulesen.
    Nach wenigen Worten

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