0673 - Angelique, die Vampirin
Vampir führte sie doch ein besseres Leben! Sie war nahezu unverwundbar, und sie würde länger leben können als jeder Mensch. Es würde sie noch geben, wenn an ihren Bruder niemand mehr dachte, wenn die Freiheitsstatue zu Staub zerfallen war…
Nein.
Nicht schon wieder. Sie hatte schon genug angerichtet.
Sie wollte nicht noch mehr Menschen ins Unheil reißen. Sie hatte von Asmodis' Blut getrunken und von dem Rico Calderones. War das nicht schon zuviel gewesen?
Sie riß sich gewaltsam von dem verlockenden Anblick der bereitliegenden Beute los. Wandte sich ab, verschwand lautlos von der Lichtung. Sie durchdrang das Unterholz, dachte nicht einmal daran, ihren Spuren zu verwischen.
Wozu auch?
Der Vorsprung, den sie hatte, reichte allemal aus.
Bis die beiden anderen erwachten, konnte Angelique schon weit fort sein.
Sie wußte zwar nicht, wo sie sich befand, aber das spielte im Augenblick für sie keine Rolle. Sie war irgendwo weit entfernt von der Zivilisation, und das war gut so. Wo keine Menschen waren, kam sie nicht in Versuchung, sich an Menschenblut zu vergreifen.
Und sie gewann Zeit, nachzudenken über sich und über das, was sie für sich tun konnte, tun mußte.
Denn so, wie es jetzt war, konnte es nicht bleiben.
Sie mußte eine Entscheidung treffen. Mensch oder Vampir.
Entschied sie sich gegen das Vampir-Dasein, würde ihr vermutlich nichts als der Selbstmord bleiben…
***
Lautlos bewegte die Schlange sich über den ausladenden Ast eines großen Baumes. Er trug ihr Gewicht, denn es lag Wochen zurück, daß sie ihre letzte Beute verschlungen und verdaut hatte. Sie war hungrig, und ihre sich ständig bewegenden Zungenspitzen witterten Beute.
Das Unbegreifliche, das sie bis vor wenigen Minuten abgeschreckt und fortgejagt hatte, war verschwunden. Die Furcht, die selbst ein Geschöpf wie die Anakonda gepackt hatte… Fort und bereits vergessen. Nichts hielt sie mehr davon ab, sich ihrem Opfer zu nähern.
Die Anakonda kroch langsam vorwärts, bis sie sich direkt über der Beute befand. Sie konnte sie zwar nicht sehen, aber wittern.
Und dann ließ sie sich mit einem Ruck fallen.
Direkt auf Nicole Duval, um sie blitzartig zu umschlingen und mit den gewaltigen Muskeln ihres Schlangenkörpers zu erdrücken.
***
Stygia spürte die magische Energie, die von dem zeitlosen Sprung der Silbermond-Druidin freigesetzt worden war. Es war wie ein verwehender Hauch, etwas indifferent. Die Dämonin benötigte einige Zeit, bis ihr klar wurde, was sich da abgespielt hatte.
Die Druidin hatte sich nicht allein von einem Ort zum anderen versetzt, sondern zwei weitere Personen mitgenommen.
Stygia tippte auf Angelique und noch jemanden.
Entweder Zamorra oder seine Gefährtin.
Die nächste Zeit verbrachte die Dämonin damit, herauszufinden, wohin die drei Personen verschwunden waren. Das herauszufinden war schwierig, denn irgend etwas stimmte mit der aufgewandten Para-Kraft der Druidin nicht. Stygia hatte das Gefühl, daß sie ihr eigentliches Ziel nicht erreicht hatte, daß der Sprung vorzeitig unterbrochen worden war. In den verwehenden Schwingungen war etwas, das nach Erschöpfung »klang«.
Sollte die Druidin sich zu sehr verausgabt haben?
Das war zu begrüßen. Um so leichter konnte Stygia mit ihr fertig werden. Aber zunächst mußte sie das Ziel herausfinden. Das war nicht besonders einfach. Denn je länger Stygia dafür benötigte, um so schwächer wurden die verwehenden Energiefahnen.
Irgendwann gelang es ihr.
Sofort setzte sie sich in Bewegung, um den Flüchtigen dorthin zu folgen, wo sie sie lokalisiert hatte.
***
Nicole zuckte zusammen und schrie entsetzt auf. Etwas stürzte sich auf sie und umschlang sie mit würgendem Griff. Wirbelte sie dabei mehrmals herum. Sie brauchte wertvolle Sekunden, um sich zu orientieren. Ihr Gegner war kein Mensch, er war…
Eine Riesenschlange?
Nur langsam dämmerte ihr, daß sie sich mitten in der Wildnis befand. Sie mußte eingeschlafen sein, ohne es zu wollen, und Fragmente ihres Traumes mischten sich noch in die Wirklichkeit. Der Druck um ihren Körper wurde immer stärker.
Sehen konnte sie nichts!
Es war immer noch stockdunkel!
Oder war sie blind geworden?
»Teri!« wollte sie schreien, brachte aber nur ein heiseres Keuchen hervor, weil sie kaum noch Luft in den Lungen hatte. Die Schlange hatte sie ihr aus dem Körper gepreßt, als sie sich um Nicole gewickelt hatte.
Und sie war nicht mal in der Lage, sich zu wehren! Sie hatte das Pech gehabt, daß die
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