0673 - Die Jagd
zuletzt den Stab, denn der war am wichtigsten.
Sicherheitshalber schaute Suko noch kurz nach ihm und musste sich wundern. Er kannte seine Schläge und hatte eigentlich damit gerechnet, den Knaben für ungefähr eine Stunde ins Reich der Träume geschickt zu haben.
Umso mehr erstaunte es ihn, dass sich der Knabe bereits wieder bewegte. Der musste ungemein viel einstecken können. Seine Bewegungen waren von einem leichten Ächzen begleitet, und als er sich auf die Knie stemmen wollte, spürte er plötzlich Sukos Schuh im Rücken.
Sofort blieb er liegen.
»Du hast keine Chance«, flüsterte ihm Suko zu. »Ich bin immer besser, wie du ja gesehen hast.«
»Fahr zur Hölle!«
»Bestimmt erst nach dir. Zuvor aber hätte ich gern mit meinem neuen Vetter gesprochen.«
»Er wird dich aufspießen.«
»Dazu muss er mich finden.«
»Keine Sorge, Bulle, er…«
»Bevor du weiterredest, Freund, hör lieber zu. Ich will ihn haben, verstehst du? Ich gehe zu ihm. Und du wirst mir bestimmt sagen können, wo ich ihn finden kann.«
Suko vernahm ein gepresst klingendes Lachen. »Nichts lieber als das. Noch nie zuvor habe ich jemanden so gern in den Tod geschickt. Du gehst einfach nach rechts, dann wirst du ihn irgendwann schon finden. Sicherlich wartet er auf dich.«
»Danke.« Suko bückte sich kurz und schlug noch einmal zu.
Der Knabe sackte zusammen. Diesmal würde er bestimmt in den nächsten sechzig Minuten nicht mehr aufwachen.
Mit den Beutewaffen fühlte sich Suko sicherer. Beide hatten hinter seinem Gürtel Platz gefunden.
Dennoch war er vorsichtig, denn Typen wie Knife traute er jede Gemeinheit und Hinterlist zu. Er rechnete damit, dass der Killer misstrauisch geworden war, denn seine Leute hätten längst zurück sein müssen.
Auf seinem Rücken lag das leichte Rieseln, als er sich aus dem Verlies schob. Er wollte auch Hilfe für den Schwerverletzten holen.
Nach rechts musste er gehen. Der Gang lag vor ihn. Er war düster, stank und musste vor sehr langer Zeit gebaut worden sein, denn Holzstempel stützten die Decke ab wie kantige Arme. Suko wusste überhaupt nicht, dass es so etwas in London gab.
Jeder Gang hat irgendwo ein Ende. Da machte auch dieser keine Ausnahme.
Suko stand vor einer Tür und runzelte die Stirn. Zum Glück war sie nicht verschlossen. Spaltbreit zog er sie auf und schaute wieder in einen Gang.
Der war allerdings nicht leer. Er sah zwei Frauen, die Wagen mit Bügelwäsche vor sich herschoben und dorthin gingen, wo zwei aus pappig wirkendem Kunststoff bestehende Hälften die Trennung zu einer Heißmangel bildeten. Durch den nötigen Druck des Wagens öffneten sich die Hälften, und die Wäsche konnte hindurchgeschoben werden.
Suko wartete, bis die Frauen verschwunden waren, bevor er einen Blick nach links warf.
Die beiden waren aus einem Lager gekommen, wo sich Wäsche hoch stapelte. Er sah dort auch mehrere Wagen nebeneinander stehen, nur keine Spur von Knife.
Hatte der Kerl Verdacht geschöpft und war verschwunden? Es blieb Suko nichts anderes übrig, als den Bügelraum zu durchqueren. Er konnte sich auch vorstellen, dass er den Killer dort fand, leider zusammen mit unschuldigen Menschen.
Der speckig wirkende Vorhang dämpfte die Geräusche. Auch die Stimmen der dort arbeitenden Büglerinnen. Suko hörte sie erst normal, als er sich durch den Spalt drückte.
Es war ein sehr großer Raum. Hölzerne Bügeltische und Wäschemangeln waren dort aufgebaut. Sie wurden noch mit der Hand betrieben. Oft waren zwei Frauen nötig, um die schweren Kurbeln zu drehen.
Über allem lag der typische Geruch frischer Wäsche, aber auch dünne Dampfschwaden wehten Suko entgegen. Sie stammten von den alten, schweren, schon vorsintflutlichen Bügeleisen, die von den Frauen geschickt über die Wäschestücke bewegt wurden.
Hier arbeiteten Frauen und Mädchen der unterschiedlichsten Altersstufen. Einige von ihnen entdeckten Suko. Sie hoben kurz die Köpfe, schauten den Ankömmling verwundert an, ließen sich aber ansonsten nicht stören.
Suko wollte Knife finden. Er zeigte sich nicht, aber er musste irgendwo stecken.
Vorsichtig schob sich der Inspektor an den Tischen vorbei, nickte hier und da einer Büglerin zu und sah eine ziemlich dicke Frau im hellblauen Kittel, die vor einem Schreibtisch saß, der mehr ein Tisch war. Dort sortierte sie die Papiere und war möglicherweise die Vorarbeiterin. Sie hielt den Kopf gesenkt, hatte den Mann noch nicht bemerkt und schaute erst auf, als Suko dicht vor ihr
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