0675 - Der falsche Buddha
letzten Augenblick ein, daß dafür der Platz zu schmal war. »Was?« flüsterte ich. »Was hast du da gesagt?«
»Glaubst du mir nicht?«
»Es fällt mir zumindest schwer.«
Ich deutete mit beiden Armen in verschiedene Richtungen. »Verflucht noch mal, hier ist überall Nebel. Wie kannst du ihn erkannt haben? Du mußt einer Täuschung…«
»Glaub mir, John. Er war nahe genug.« Sie fügte ihren Worten ein heftiges Nicken zu. »Es war der beinlose Götze, und er schwebte durch die Luft.«
»Dann weiß er Bescheid!« flüsterte ich.
»Überrascht dich das? Du hast mir erzählt, was du vorhast. Du darfst ihn auf keinen Fall unterschätzen. Er ist überall und nirgends, er ist ein Phänomen. Nicht grundlos wird er von sehr vielen Menschen verehrt und schon als Gott angesehen. Hast du das alles vergessen?«
»Das nicht. Ich werde nun wieder direkt daran erinnert.« Ich räusperte mich. »Dann muß ich dir danken, Narina. Schon wieder einmal.«
Sie winkte ungeduldig ab. »Laß es sein. Es ist nur wichtig, daß wir die Brücke verlassen.«
»So sehe ich das auch.« Wir sprachen es nicht aus, aber wir dachten beide daran, daß der Beinlose es noch einmal versuchen würde.
Möglicherweise hatte er auch Helfer mitgebracht.
Narina setzte ihren Hut fester. Es war eine Geste der Entschlossenheit, als wäre sie sich erst jetzt darüber klargeworden, daß sie nichts mehr aufhalten konnte.
»Woher hast du den Revolver?« erkundigte ich mich noch.
»Er lag im Jeep.«
»Okay.«
Wir nahmen unsere Wanderung auf, die natürlich nicht ungefährlich war. Immer wieder mußten wir damit rechnen, daß sich Lücken auftaten oder irgendwelche Bohlen so lose hingen, daß sie unser Gewicht nicht aushalten konnten.
Deshalb schleiften unsere Handflächen auch über die Seile rechts und links entlang, und gleichzeitig hielten wir Ausschau nach irgendwelchen Gegnern.
Der Beinlose zeigte sich nicht. Auch von der Brücke her wurden wir nicht angegriffen. Dabei rechnete ich mit dem Erscheinen irgendwelcher Männer, die auf der Seite des Götzen standen. Dann wäre ich mir tatsächlich vorgekommen wie Indiana Jones ohne Peitsche.
Da wir an verschiedenen Seiten der Hängebrücke hergingen, glichen wir die Schwankungen einigermaßen aus. Natürlich hing das Gebilde zur Mitte hin durch, diese tiefe Stelle aber lag bereits hinter uns, denn der Weg führte wieder bergan.
»Wir sollten es bald geschafft haben, John.« Narinas Stimme klang wieder optimistisch.
»Das kann ich nur hoffen.«
Narina hatte vom Spielplatz des Teufels gesprochen, und so war mir die Schlucht auch vorgekommen. Aber jeder Spielplatz besitzt einen Anfang und ein Ende.
So war es auch hier. Mir kam es vor, als wäre der Dunst dünner geworden, jedenfalls verteilte sich in ihm eine gewisse Helligkeit, die nur von den Strahlen der Sonne herstammen konnte. Bisher war sie versteckt gewesen.
Auch Narina freute sich. Sie drehte den Kopf nach links, als sie sagte: »Wir haben es bald geschafft, John. Keine Sorge.«
»Solange ich dich als Schutzengel in meiner Nähe weiß, fürchte ich mich nicht.«
Da mußte sie lachen.
Es waren nur wenige Yards bis zum Ende der Brücke. Aber es fehlten an einer Stelle zwei Bohlen, das heißt, eine war verschwunden, die andere brach unter meinem Gewicht zusammen, als ich sie mit dem rechten Fuß belastete.
Zum Glück hatte ich das rechte Bein belastet und konnte mich wieder fangen.
Tief holte ich Luft. Narina hatte mir zugeschaut und sah den Schweiß auf meiner Stirn. »Kleiner Schreck zum Schluß«, bemerkte sie spöttisch.
Wieder einmal bewunderte ich ihre Nervenstärke.
In den letzten Sekunden hatte ich auf meine Umgebung kaum geachtet. Jetzt fiel mir auf, daß wir den Spielplatz des Teufels hinter uns gelassen hatten. Zwar brannte die Sonne vom Himmel, aber die aus der Schlucht hervorwehenden Dunstschwaden waren doch sehr schwach geworden, und sie erinnerten mich nur mehr an sehr, sehr dünne Fahnen. Lieber Hitze ertragen, als noch länger über diese Brücke zu klettern.
Ich wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Narina hatte recht gehabt. Zwar war es nicht die normale Straße, über die wir gehen mußten, aber der staubige Weg erschien mir im Gegensatz zur klapprigen Bohlenbrücke wie der Pfad in den Himmel.
Die Brücke hatten wir hinter uns.
»Wie weit müssen wir noch bis zur Straße laufen?« fragte ich.
»Höchstens eine halbe Stunde.«
»Wie tröstlich.«
Narina lachte mich an. »Du kannst
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