0677 - Das Haus der Hyänen
Sonne war aufgegangen, hatte die tiefen Temperaturen kaum verändern können. Es lag noch viel Schnee.
»Ich habe noch eine Frage«, sagte die Frau leise, wobei sie gegen die Tischplatte schaute.
»Bitte sehr.«
»Was geschieht mit meinem Mann? Soll ich ihn aus dem Grab holen?«
»Bitte nicht.« Wladimir sprach eindringlich. »Wenn alles vorbei ist, kümmere ich mich darum. Er wird ein Begräbnis bekommen, das seiner würdig ist.«
»Gut, danke.«
Der Mann drückte die Zigarette in einer Schale aus. Ruckartig erhob er sich. »So, für mich wird es Zeit, zum Stützpunkt zu fliegen. Wenn ich zu Ihnen zurückkehre, dann mit dem Wagen.«
Sie nickte nur.
Wladimir blieb abwartend am Tisch stehen. »Sie können sich nicht mehr erinnern, ob Ihr Mann noch etwas gesagt hat? Ist Ihnen was eingefallen? Erinnern Sie sich an einen Grund?«
»Nein, er war ein Eigenbrötler«, erwiderte sie nach einer Weile des Nachdenkens. »Natürlich habe ich seine Veränderung mitbekommen. Ich habe auch gefragt. Aber Sie kannten ihn nicht. Er konnte oft sehr dickköpfig sein. Das war sein Problem. Er galt immer als verschlossen, und er brütete irgendwelche Sorgen stets selbst aus. Ich konnte da nicht gegen an, wenn Sie verstehen. Nicht dass er eine Todessehnsucht gehabt hätte, aber er merkte schon, dass ihm die Sache wahrscheinlich über den Kopf wachsen würde. Manchmal hat er auch von einem bösen Schicksal gesprochen, sich jedoch nie ausgelassen.«
»Schon gut, ich danke Ihnen.«
»Nein, ich habe zu danken.« Jana Jaschin brachte ihren Gast bis zur Tür. Wladimir öffnete sie, schaute in die Sonne und setzte die Fliegerbrille mit den dunklen Gläsern auf. Die Sonne blendete, und der Schnee reflektierte zusätzlich ihr Licht.
Es knirschte unter den Füßen, als sich der Mann auf den Weg zum Hubschrauber machte. Golenkow konnte nur hoffen, dass er ihn startklar bekam und die Maschine nicht zu stark vereist war. Sie hatte die Nacht über in klirrendem Frost gestanden.
Mit einiger Mühe klappte es. Er war gut gewartet worden. Das Öl und die Fette hielten auch diese tiefen Temperaturen aus.
Langsam stieg er in die Höhe. Die Rotorblätter drehten sich schnell, sie bildeten einen Kreis, der Schnee vom Boden hoch wirbelte.
Jana schaute der Maschine nach, wie sie in den klaren Morgenhimmel stieg. Ein schwarzer Punkt unter der Weite des blauen und auch sonnendurchflutenden Himmels. Sie wünschte diesem Mann viel Glück und dass er ihr ebenso helfen konnte, wie er damals ihrem Sohn geholfen hatte, der von all dem Grauen noch nichts ahnte.
Golenkow flog in Richtung Norden. Er nahm Kontakt mit dem kleinen Tower des Militärflughafens auf, wo man ihn schon erwartet hatte. Dort gab es keine Schwierigkeiten.
»Und bei mir auch nicht«, meldete Golenkow, bevor er auf den Wagen zu sprechen kam. »Habt ihr das Fahrzeug schon bereitgestellt?«
»Sicher.«
»Tatsächlich?« Wladimir kannte seine Kollegen. Die Antwort hatte ihm nicht gefallen.
»Wir sind noch dabei.«
»Gibt es Ärger?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, Genosse. Jedenfalls macht auch uns die Kälte zu schaffen.«
»Am Nordmeer ist sie noch schlimmer. Dort liegen auch Kollegen in den Kasernen.«
»Wir bemühen uns.«
Der KGB-Agent war sauer. Er ahnte, dass er einen Rückschlag erleiden konnte, bewegte seinen Unterkiefer, ohne zu kauen und schaute dann aus dem Cockpit nach unten, wo die Landschaft vorbeiflog. Eine Mischung aus Wald, Schnee und Weite. Hin und wieder ein Gehöft, hinzu kamen die Straßen, die nach Westen führten, auf denen kaum Fahrzeuge rollten, ein paar Militärlastwagen ausgenommen.
Sehr schnell schon sah er die Stellung unter sich erscheinen. Weite Flächen, Baracken, auf deren Dächern Antennen schimmerten. Ein Tower war da, auch Hangare, eine Landepiste für kleinere Flugzeuge und der Platz, auf den er seinen Hubschrauber aufsetzen konnte.
Man erwartete ihn bereits. Neben einem Fahrzeug hielten sich mehrere Männer auf, die mit heftigen Bewegungen winkten. Golenkow setzte den Hubschrauber sicher auf, verließ ihn und wurde militärisch stramm begrüßt.
»Und wo kann ich meinen Wagen finden?«
»Sie möchten zu Oberst Kirkow kommen.«
»Weshalb?«
»Er will mit Ihnen reden.«
Wladimir schwante Schlimmes, er enthielt sich jedoch eines Kommentars und machte sich auf den Weg.
Er wurde nicht enttäuscht. Der bullige Oberst erklärte ihm, dass es Ärger mit den Fahrzeugen gäbe.
»Wie das?«
»Sie… sie springen noch nicht an. Ich weiß
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