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0677 - Das Haus der Hyänen

0677 - Das Haus der Hyänen

Titel: 0677 - Das Haus der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nickte und zog dabei die schmalen Augenbrauen zusammen, die sorgfältig gezupft worden waren. »Ja, es ist immer dasselbe. Die Legende sagt, dass er auf einem Schlitten erscheint, der von sechs Hyänen gezogen wird. So erzählten die Alten.«
    »Danke für den Tipp. Aber«, ich verschärfte meine Stimme, »jetzt möchte ich einfach von dir hören, Olga, weshalb du so daran interessiert bist, den blutigen Boris zu jagen. Was, zum Henker, sind deine Motive? Persönlich oder allgemein?«
    »Was denkst du denn?«
    »Persönlich.«
    Wie zwei Figuren standen wir uns in der Kälte gegenüber, angestrahlt vom blassen Licht der Leuchtreklame, die aus uns seltsame Wesen machte. »Du hast richtig getippt, John. Es ist eine persönliche Sache. Denn der blutige Boris hat sich meinen Großvater geholt. Darüber ist meine Mutter vor Gram gestorben.«
    »Danke.«
    »Bist du jetzt zufrieden?«
    »Sicher.«
    »Nur müsstest du mir auch etwas erklären.«
    »Ich weiß.« In der nächsten Minute gab ich Olga einen kleinen Einblick in mein Motiv und berichtete ihr auch, dass ich auf einen Freund wartete, der eigentlich schon längst hätte in Kwitsche eintreffen müssen. »Dass er nicht gekommen ist, bereitet mir Sorgen.«
    »Manchmal gibt es eben Hindernisse, die auch völlig natürlicher Art sein können.«
    »Wenn du das sagst, Olga.«
    »Ja, es stimmt.«
    Sie wandte sich ab. Ich ließ sie vorgehen, da sie sich auskannte. Noch blieben wir auf dem Gehsteig. Wir schritten nach Osten, dem Ortsausgang entgegen.
    Die Häuser warfen Schatten; die sich als verzerrte Figuren auf der Schneefläche verteilten. Innerhalb der Schatten schimmerten die Lichter hinter den Fenstern wie gelbe Augen.
    Es ließ sich keiner blicken. Das Heulen der Hyänen hatte alle vertrieben.
    Aber es war verstummt. Nur rechnete ich nicht damit, dass die Bestien den Rückzug angetreten hatten. Sie würden sich irgendwo verborgen halten und auf einen günstigen Augenblick für einen Angriff warten.
    Als wir auch die Einmündungen mehrerer Gassen und kleinerer Straßen passierten, versäumte ich es nie, einen Blick hineinzuwerfen, da ich jeden Augenblick damit rechnete, von einer Hyäne angegriffen zu werden.
    Die Gassen waren leer.
    Wenn es so etwas wie eine Ortsmitte in Kwitsche gab, so hatten wir sie bald hinter uns gelassen. Zwischen den Häusern war jetzt mehr Platz.
    Ich sah auch die alten krummen Zäune, die die Grundstücke umgaben.
    Auf ihnen lag der Schnee als festgebackene Hauben.
    Olga Schirnow verließ den Gehsteig. Sie blieb mitten auf der Straße stehen, bevor sie in die Knie ging und das rechte Ohr auf den harten Schneebelag drückte. Dabei verlor sie ihre Mütze. Das schwarze Haar fiel nach vorn und breitete sich aus. Auf dem hellen Untergrund sah es aus wie eine dunkle Pfütze.
    Ruckartig kam sie wieder hoch, mich dabei anschauend. »Sie kommen, John. Ich habe sie gehört.«
    »Das Trommeln der Füße?«
    »Ja.«
    Plötzlich wischte sie über ihre Augen, als wollte sie Tränen fortputzen.
    »Ich habe mir einen Plan zurechtgelegt, und ich möchte von ihm nicht abweichen.« Sie blickte mich beim sprechen an. »Bist du damit einverstanden, dass wir uns mitten auf die Straße stellen?«
    »Sicher.«
    »Dann ist es gut.«
    Ich zog meine Waffe, die von Olga skeptisch angeschaut wurde. »Mit einer Pistole wirst du ihn kaum stoppen können.«
    Mein Grinsen wirkte kantig. Es blieb auch am Mund, als ich ihr das Kreuz und den Dolch zeigte.
    Beim Anblick des Talismans aus Silber, bekam sie große Augen, aber sie konnte sich nicht näher damit beschäftigen, denn vor uns vernahmen wir ein leises Grollen, dessen Echo uns wie ein breiter, akustischer Teppich entgegenflutete.
    Wir schauten uns an.
    Sie nickte. »Jetzt, John«, flüsterte Olga. »Jetzt müssen wir Farbe bekennen.«
    »Das weiß ich.« Ich hatte mich und meine Stimme gut unter Kontrolle.
    Nichts zitterte, der Blick war geradeaus gerichtet. Ich wollte die verdammte Brut anschauen.
    Auf einmal war wieder das Heulen zu hören. Eine schreckliche, lebensbedrohende Musik, die sich über den Ort gelegt hatte. Die Hyänen mussten bereits von Kwitsche Besitz ergriffen haben, denn der Gesang des Teufels erreichte uns nicht von vorn.
    »Sie sind da.« Heftig drehte sich Olga um, ohne allerdings auch nur eine Hyäne zu entdecken.
    Ich sah dafür mehr. Vor uns und auch noch weit vor dem Ort bewegte sich die mond- und schneehelle Dunkelheit. Es lag nicht an ihr selbst, dass sie dieses Bild schuf, sondern an den

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