068 - Das Schädelgrab
das Gift in meinem Körper abbaute. Allmählich fand ich meine verlorene Persönlichkeit wieder, hatte wieder einen eigenen Willen, und ich wollte auch nicht länger bleiben und auf Grudia warten.
Ein Entschluß reifte in mir.
Ich besaß zwar keine Waffen mehr, wollte aber dennoch versuchen, mich zu meinen Freunden durchzuschlagen, und wenn ich mit Mr. Silver und den anderen wieder beisammen war, würden wir nicht weiterziehen, sondern Tuvvana aus dem Käfig holen.
Oder sollte ich das zuerst tun?
Die zweite Idee sagte mir mehr zu. Zuviel konnte während meiner Abwesenheit passieren. Die Zwerge konnten in dieser Zeit Tuvvana töten.
Zuerst die Kleine, sagte ich mir und drehte mich um.
Da bewegte sich der Vorhang, wurde von einer schlanken Hand geteilt, und dann erblickte ich Grudia, die Königin der Teufelszwerge. Sie war um mehr als einen Kopf größer als der größte Zwerg, aber immer noch klein.
Sie trug nicht viel am Körper. Ihre Haut hatte einen seidigen Glanz, und ich spürte die Versuchung, sie zu berühren. Grudia war hervorragend proportioniert. Man konnte ihren Körper als makellos bezeichnen. Schaftstiefel aus blauem Wildleder ragten bis zur Hälfte der Schenkel hinauf. Lederstreifen umhüllten ihre Lenden. Ihr Busen war mit schwarzem Stoff bedeckt, und ihr langes schwarzes Haar war zu vier Zöpfen geflochten, die an ihrem Hinterkopf so wegstanden, als befände sich Draht in ihnen. An der linken Wange entdeckte ich eine sichelförmige Narbe, die der Schönheit der Königin jedoch keinen Abbruch tat.
Streng und grausam war ihr Blick.
Ihre Augen verströmten Kälte. Von diesem Wesen konnte noch nie Wärme ausgegangen sein.
»Ich bin Grudia, die Königin der Teufelszwerge«, sagte sie.
Das war überflüssig.
Sie musterte mich. Ich schien ihr zu gefallen. Sie schätzte große Männer. Aber das hinderte sie nicht daran, diese umbringen zu lassen, wenn sie bekommen hatte, was sie wollte.
»Wie ist dein Name, Fremder?« fragte Grudia.
»Tony Ballard.«
»Woher kommst du?«
»Von der Erde.«
»Du hast mit deinen Freunden die Grenze meines Reichs überschritten. Wir sehen das als einen Akt der Feindschaft an, fühlen uns von euch angegriffen.«
»Aber wir wollen nichts weiter, als das Land der hohlen Hügel durchqueren.«
»Ihr habt mich nicht um Erlaubnis gefragt.«
»Hättest du es denn erlaubt?«
»Nein«, sagte Grudia scharf. »Wir wollen hier keine Fremden. Deshalb töten wir alle die unseren Wunsch, allein zu leben, nicht respektieren.«
»Das wußte ich nicht«, versuchte ich mich herauszureden.
»Cosmar kennt unsere Gesetze.« Grudia lächelte eisig. »Du siehst, ich weiß über euch Bescheid. Willst du hören, wie es deinen Freunden geht? Meine Krieger haben sie eingekreist. Sie werden belagert, sitzen in diesem eingestürzten Hügel fest. Ihr Leben liegt in meiner Hand, Tony Ballard. Wir können sie belagern und aushungern. Wir können sie aber auch so lange angreifen, bis ihr Widerstand gebrochen ist.«
»Warum läßt du uns nicht einfach durch dein Land reiten?« fragte ich. »Wir würden keine einzige Rast einlegen, dein Reich durchqueren und verlassen. Niemand hätte von uns etwas zu befürchten, dafür würde ich mich verbürgen.«
»Freies Geleit? Du bittest mich um freies Geleit?«
»Ja, Grudia. Wir haben wenig Zeit. Hätten wir mehr, wären wir um das Land der hohlen Hügel herumgeritten.«
»Warum habt ihr es so eilig?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Grudia ging mit geschmeidigen Bewegungen an mir vorbei. Der Duft, den sie verströmte, war betörend. Sie zielte darauf ab, mir zu gefallen, aber damit würde sie bei mir kein Glück haben.
Sie ließ sich auf das große Bett nieder, klopfte mit der Hand auf die blaue Seide und verlangte, ich solle mich zu ihr setzen. Ich sagte, ich würde lieber stehenbleiben. Zorn funkelte ganz kurz in ihren nachtschwarzen Augen, aber dann ließ sie mir meinen Willen.
»Erzähl mir deine lange Geschichte«, forderte sie mich auf.
Ich überlegte blitzschnell, ob ich die Wahrheit sagen sollte.
Warum nicht?
Ich begann zu erzählen, beschränkte mich auf das Wichtigste, sprach aber so, daß sie mir folgen konnte.
Hoffte ich auf ihr Verständnis? Auf eine Entscheidung zu unseren Gunsten? War ich wirklich so verrückt, anzunehmen, sie würde einen Entschluß fassen, der uns nützte?
Ich hoffte, daß Sastra sie schon einmal geärgert, beleidigt, verletzt hatte. Nur dann würde sie uns vielleicht unterstützen. Denn dann konnte sie
Weitere Kostenlose Bücher