068 - Haus des Schreckens
Akzent gesprochen. „Ich bin aus Wien."
„Da war ich auch mal", sagte Daisy. „Eine hübsche Stadt. Bist du schon lange in London?"
„Seit ein paar Tagen", sagte Coco. „Mein Vater wollte, daß ich ein halbes Jahr nach London auf ein College gehen soll. Seid ihr schon lange hier?" Beide nickten.
„Ist ganz nett hier", meinte Daisy.
„Wohnt ihr hier im College?"
„Ich wohne hier", sagte Daisy. „Helen wohnt bei ihrer Mutter."
Helen blickte an Coco vorbei zur Eingangstür. Ihr erwartungsvoller Blick erlosch, als sie Maria Carter sah, die sich eine Tasse Tee und ein Stück Kuchen holte.
Die Unterhaltung plätscherte recht lustlos dahin. Helen hob immer rasch den Kopf, sooft die Tür geöffnet wurde.
„Wartest du auf jemanden, Helen?" fragte Coco.
„Nein", sagte Helen und spielte nervös mit ihrem Becher.
Daisy kicherte leise, was ihr von Helen einen bösen Blick eintrug.
„Gestern wäre ich gern dabeigewesen", sagte eines der Mädchen vom Nebentisch. „Ich hätte doch zu gern gesehen, wie Marsha sich an Felix herangemacht hatte."
„Ich finde es ungerecht, daß Marsha deshalb vom College gewiesen wurde", schaltete sich ein anderes Mädchen ein. „Madame würde ja Felix am liebsten unter eine undurchsichtige Käseglocke stellen."
Helen stand auf.
„Ich gehe in den Garten", sagte sie leise, zerdrückte den Plastikbecher und warf ihn in einen Abfallkübel.
Sie ließ den Kopf hängen und verließ rasch den Speisesaal. Coco sah ihr mit gerunzelter Stirn nach. „Was hat Helen?" fragte sie. „Und worüber reden die am Nebentisch?"
Daisy blickte Coco nachdenklich an, dann seufzte sie.
„Ich bin eigentlich keine Tratschtante", sagte sie, „aber früher oder später wirst du ohnedies den Klatsch hören. Helen ist verliebt. Sie ist nicht die einzige hier. Sie ist in Felix verliebt, den Sohn von Madame, über den am Nebentisch gesprochen wird." Daisy senkte die Stimme. „Madame schirmt ihren Sohn vor den Mädchen ab. Doch gestern kam es zu einem Zwischenfall. Eine der Schülerinnen, Marsha Green, schlich sich in Felix' Zimmer und wollte ihn verführen. Madame überraschte die beiden. Es kam zu einer wüsten Auseinandersetzung. Madame warf Marsha noch in der Nacht aus dem College. Einigen Schülerinnen paßt das nun überhaupt nicht. Marsha war zwar nicht besonders beliebt, aber trotzdem. Ich finde auch, daß es nicht richtig ist."
Coco nickte geistesabwesend. Sie erinnert sich an den Bericht, den sie von der gestern stattgefundenen schwarzen Messe erhalten hatte. Bestand ein Zusammenhang zwischen Marshas plötzlicher Abreise und der Warnung, die Madame Lelouch erhalten hatte? Es konnte zutreffen. Die Beschreibung, die Archer von Marsha Green gegeben hatte, paßte auf das Mädchen, von dem in der Warnung die Rede gewesen war.
„Mit einem Wort", sagte Coco, „es ist besser, wenn man die Finger von Felix läßt."
Daisy nickte. „Beachte ihn besser nicht! Er ist..." Sie wandte den Kopf. „Das ist er", sagte sie fast unhörbar.
Felix hatte die Tür geöffnet und blickte herein. Er sah die Mädchen forschend an, so als suchte er eine ganz bestimmte. Sein Blick fiel auf Coco. Er kniff die Augen leicht zusammen, drehte sich um und schloß die Tür.
„Wie gefällt er dir?" erkundigte sich Daisy neugierig.
„Sieht recht gut aus", sagte Coco ausweichend. „Ist aber nicht mein Typ. Ich schwärme mehr für dunkelhaarige Männer."
Coco hatte die Wahrheit gesprochen. Sie hatte noch nie besonders viel für extrem gutaussehende Männer übriggehabt. Doch in den wenigen Sekunden, die sie Felix gesehen hatte, war eine seltsame Ausstrahlung zu spüren gewesen. Irgend etwas stimmte mit Felix nicht. Sie würde versuchen, es herauszubekommen.
Sie holte zwei Sandwiches und eine Tasse Tee und plauderte noch ein wenig mit Daisy. Dann ging sie nachdenklich auf ihr Zimmer, öffnete den Koffer und hängte die Kleider in den Einbauschrank. Das überraschende Verschwinden Marsha Greens ging ihr nicht aus dem Sinn. Sie setzte sich aufs Bett und steckte sich eine Zigarette an. Coco wollte ihre Taktik ändern. Sie würde versuchen, Felix' Interesse zu gewinnen. Außerdem wollte sie ihn bei der nächsten Gelegenheit hypnotisieren.
Coco trat ans Fenster, zog die Stores zur Seite und blickte in den Garten. Zwei Mädchen spielten trotz der drückenden Hitze Tennis, drei lagen neben dem Swimmingpool und lasen, während zwei im Becken herumschwammen.
Sie drückte die Zigarette aus, griff nach ihrer Handtasche,
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