068 - Schreckensgondel der Schneehexe
dem abgedeckten
Skelett, und als das Krankenfahrzeug sich in Bewegung setzte, lösten sich die
Gruppen der Neugierigen auf. Larry Brent sah dem Auto nach, wie es langsam über
die festgefahrene Schneedecke Richtung Ortsausgang fuhr und hinter einer Kurve
verschwand. »Und wie verbringen Sie den angebrochenen Mittag?« wollte Angelika
Haas wissen. Man sah ihr schon das erste Sonnenbad an. Ihre Haut war leicht
gerötet und machte einen frischen Eindruck.
»Wie
haben Sie ihn sich vorgestellt, Angelika?«
»Ich
hab Lust auf ein Stück Torte und eine große Tasse Kaffee und danach auf einen
Eisbecher mit Sahne…« Sie deutete die Straße entlang. »Da vorn neben der Post,
etwa fünfzig Schritte von hier, gibt’s ein entzückendes kleines Café, in dem
man gemütlich sitzen und plaudern kann… Kommen Sie mit?« Larry Brent nickte.
»Ich komme nach«, sagte er. »Erst muß ich noch eine Kleinigkeit erledigen,
bürokratischen Kram… wegen unseres defekten fahrbaren Untersatzes. Danach hab
ich für ne halbe Stunde Zeit. Ich komme sicher, Angelika.« Ihre Wege trennten
sich. Während die Hamburgerin ihr Ziel ansteuerte, suchte Larry die
Polizeistation auf. Zwei Beamte taten Dienst. »Was können wir für Sie tun?«
fragte der eine höflich. »Mein Name ist Larry Brent. In der letzten Nacht haben
wir Ihnen ein kleines Souvenir gebracht.«
»Mister
Brent…«
Der
Name wirkte, als hätte eine Bombe eingeschlagen. In die beiden Polizisten kam
Bewegung.
»Bitte,
treten Sie näher. Wir wurden vor wenigen Minuten darüber informiert, Ihnen jede
gewünschte Auskunft zu gewähren.« Das war das Werk von X-RAY-1. Wenn er seine
Verbindungen spielen ließ, öffneten sich alle Türen… »Das Souvenir, von dem Sie
sprechen, Mister Brent, befindet sich noch hier. Es sollte im Lauf des heutigen
Tages abgeholt und von unserer Kriminalabteilung in Bregenz untersucht werden.
Aber der angekündigte Beamte ist hier noch nicht eingetroffen.«
»Ich
wollte mir die Finger noch mal genau ansehen.« Sie lagen eingewickelt in einer
Alufolie vor dem Fenster, mitten in einer dicken Schneeschicht. »Der Platz war
günstig«, erklärte ihm einer der Polizisten, wie um sich zu entschuldigen. »Da
bleiben sie frisch.«
Als
er die Folie in der Hand hielt, lief Wasser herab. Er hielt es für
geschmolzenen Schnee. Aber es war keiner… Die Flüssigkeit kam aus den
Stellen, an denen die Folie gefalzt war. Vorsichtig öffnete X-RAY-3 die äußere
Hülle. »Ich hab es mir beinahe gedacht«, murmelte er, und die beiden
Uniformierten wurden blaß um die Nase. Die Finger hatten sich aufgelöst! Wasser
tropfte aus der Folie. Das Fleisch war zu Schnee und dann flüssig geworden, vermutete
Larry. Übrig geblieben waren nur noch die feinen, bleichen Fingerknöchelchen…
●
Auf
der stark verschneiten Straße kamen sie nur langsam voran. In Richtung Zürs war
der Gegenverkehr enorm. In erster Linie handelte es sich um Kurzzeiturlauber
aus der näheren Umgebung, die nur das Wochenende in dieser Gegend verbrachten.
Iwan Kunaritschew blickte durch das kleine Fenster ins Freie. Die Autos parkten
dicht am Straßenrand, an dem sich seitlich ein mehrere Meter hoher Schneewall
befand. Jenseits der Schneewälle sah man einige Skifahrer auf den Pisten und
den Loipen. Es ging bergab. Die Schneeketten verliehen dem Fahrzeug jedoch
einen guten Halt auf dem Untergrund. Der Wagen ließ Zürs hinter sich und fuhr
Richtung Stuben. Er hatte etwa ein Viertel des Weges zurückgelegt, als es
geschah. Die Decken, mit denen das Skelett zugedeckt war, flogen plötzlich in
die Höhe, als wäre ein heftiger Windstoß hineingefahren. Sie klatschten Iwan
Kunaritschew ins Gesicht, legten sich ihm über Mund und Augen und die Brust,
als wollten sie ihn am Atmen und Sehen hindern. Dann kam das Skelett…
Wie
von einem Katapult abgeschossen, sprang es auf den Russen zu, der von dem
Angriff völlig überrascht wurde. Die Knochenfaust schnellte nach vorn und traf
Iwans Kinnspitze. Wie durch Zauberei wurde der Sicherungsriegel, der die Tür
versperrte, zurückgeschoben. Das erledigte das Skelett mit der anderen Hand,
während Kunaritschew sich faßte und die Decken vom Kopf riß, um freie Sicht zu
haben. Gleichzeitig tat er auch einiges zu seiner Verteidigung. Mit voller
Wucht trat er zu und traf. Die Knochen des Skelett-Mannes klapperten, als seine
Stiefelspitze gegen dessen Schienbein knallte. Das Skelett kippte nach hinten.
Für zwei, drei Sekunden hatte Iwan Kunaritschew Luft.
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