0684 - Wald der toten Geister
tippte Suko auf einen Menschen, und er hörte jenseits des Baumes etwas knacken, als wäre eine Person dabei, ihre Schritte sehr behutsam zu setzen.
Der Tümpel war zu breit, um ihn überspringen zu können. Wenn Suko etwas herausfinden wollte, musste er ihn umkreisen. Auf leisen Sohlen bewegte er sich voran. Er hatte sich die linke Seite ausgesucht und geriet in dünne Dunstschwaden, die ihn umgaben wie ein hauchzartes Nachthemd einen Frauenkörper.
Am unmittelbaren Rand des Tümpels war der Boden weich. Er griff wie mit schlammigen Fingern nach dem Inspektor, der Mühe hatte, seine Schuhe hervorzuziehen. Im Innern sammelte sich bereits das Brackwasser, vermischt mit fauligem Schlamm.
Es war nichts zu sehen, als Suko von der Seite her auf und an dem Baum vorbei schaute. Trotzdem glaubte er nicht daran, dass er sich getäuscht hatte. Er schlich weiter.
Der Baum sah auch abgestorben aus und hatte trotzdem noch mächtige Wurzeln, die durch ihre innere Kraft den Boden aufgewühlt und hochgedrückt hatten, sodass sie an bestimmten Stellen ans Tageslicht traten.
Manche sahen aus wie gekrümmte Arme; andere bildeten regelrechte Schlingen, gefährliche Stolperfallen.
Suko war auf der Hut. Er umging diese Fallen und konzentrierte sich auf den alten Stamm, hinter dem das Wesen zunächst aufgetaucht und dann wieder verschwunden war.
Er holte sich die entsprechende Situation noch einmal aus der Erinnerung hervor. Der Körperhöhe nach konnte es durchaus ein Mensch sein, musste aber nicht. Wer wusste schon, welche Wesen sich in diesem geheimnisvollen Waldstück versteckt hielten.
Rechts von ihm stand starres Gestrüpp wie ein Lattenzaun. Nur waren die einzelnen Teile hier von aschgrauer Farbe und wirkten wie knotige, überlange Finger eines Gichtkranken.
Das Knacken hörte er über sich und eigentlich auch zu spät. Zuerst fielen Zweige, dann folgte der Körper.
Suko sprang noch zur Seite. Er wollte seine Waffe ziehen, als ihn der nackte Mann erwischte.
Voll rammte er gegen den Inspektor. Das Gewicht drückte Suko nicht nur in die Knie, es warf ihn auch um. Er hörte ein wütend klingendes Geräusch. Es bestand aus einer Mischung zwischen Fauchen und Knurren, und er dachte natürlich an ein Tier.
Wer es genau war, konnte er nicht erkennen, denn der Gegner hockte auf seinem Rücken und hatte ihn mit dem Bauch gegen die weiche Erde gepresst. Suko hatte noch soeben den Kopf drehen können, um keinen Schlamm zwischen die Lippen zu bekommen.
Zwei normale Hände tasten nach seinem Hals. Bevor sie richtig zupacken konnten, bog Suko seinen Rücken durch. Er war kein Schwächling und stemmte sich dabei so gut wie möglich ab.
Der Gegner rutschte mit den Fingern ab. Er kippte auch zur Seite. An der rechten Seite suchte er Halt. Suko, der sich gedreht hatte, sah die Pranke, die sich in den Boden zu bohren schien.
Er war frei, rollte sich nach links, um auf die Beine zu gelangen. Gleichzeitig schnellte auch der Angreifer auf die Beine, und Suko sah, dass er einen Menschen vor sich hatte.
Der wollte ihm an den Kragen.
Sichtbare Waffen trug er nicht. Auch Suko ließ die Pistole stecken. Er wartete, dann griff er zu.
Im Sprung fing er den Mann. Er wunderte sich noch über den Schatten hinter dessen Armen, dann setzte er einen Griff an, der den Mann über ihn hinwegschleuderte, sodass er auf den Tümpel zuflog.
Er hätte darin versinken müssen, denn eine Chance zum Ausweichen gab es nicht.
Aber er versank nicht, denn etwas Unwahrscheinliches geschah! Kurz bevor er die schmierig aussehende Wasserfläche erreichte, breitete er seine Schwingen aus. Hinter seinen Armen verlängerten sich die Schatten, sie wurden zu Flügeln, und die bewegte der Mann auf und ab.
Er flog in die Höhe!
Dabei hatte er Glück, dass der Tümpel ziemlich frei lag und ihn keine quer wachsenden Äste störten. So konnte er Höhe gewinnen, und Suko hatte das Nachsehen.
Der Inspektor staunte. Mit einer derartigen Begegnung hätte er nie im Leben gerechnet. Was er über sich sah, war ein Mensch mit Schwingen, die nicht aus seinem Rücken wuchsen, sondern an den hinteren Seiten der Arme befestigt waren.
Der Mann brach in das Geäst einer Baumkrone ein und klammerte sich dort fest. Da oben blieb er dann wie ein mächtiger Schatten hängen und tat erst einmal nichts.
Suko atmete pfeifend aus. Er schloss für einen Moment die Augen, konzentrierte sich und dachte daran, dass es unter Umständen noch einige dieser ungewöhnlichen Menschen gab, die sich
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