0684 - Wald der toten Geister
sagen…«
Es kam nicht mehr dazu, denn plötzlich war da ein Geräusch, das nicht hierher passte.
Iiiieehhh…
Ich stand unbeweglich. Es war schrill, kreischend, auch in den gerade noch höchsten, für einen Menschen hörbaren Frequenztönen, sodass es in meinen Ohren schmerzte.
Ich wusste nicht, was es bedeutete, im Gegensatz zu Phil Evans. Er spie seinen Zigarillo aus, die Glut verlosch zischend in einer Pfütze, dann starrte er in die Höhe.
Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Wut und Überraschung. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass auch ich dieses schrille Geräusch hörte. Es musste unmittelbar etwas mit Mike zu tun haben.
Noch hatte ich die Quelle nicht entdeckt. Ich wurde den Eindruck nicht los, dass es über mir schrillte.
»Ist das Mike?«, fuhr ich Phil Evans an.
Der zog sich mit gleitenden Schritten zurück. Er gab eine Antwort, aber die galt nicht mir. Seine Stimme hallte von den Flächen der abgestellten Fahrzeuge wider.
»Verschwinde, Junge! Hau ab! Komm nicht her! Man will dir an den Kragen!«
Das wollte ich nicht. Ich sprang auf den Mann zu, der aber wegtauchte und blitzschnell unter dem Lastwagen verschwand. Dort rollte er sich einige Male um die eigene Achse, weil er auf der anderen Seite wieder hochkommen wollte.
Ich hatte vorgehabt, ihn zu verfolgen, aber etwas anderes lenkte mich ab.
Es kam aus der Höhe, und es erinnerte mich an einen Drachenflieger. Ich hörte zuerst das Rauschen der Schwingen, sah schräg über mir etwas Schwarzes, das sich auf und ab bewegte, dann schwebte die nackte Gestalt mit den breiten, dunklen Flügeln im schrägen Winkel dem Erdboden entgegen, wo sie sicher landete.
Ich kam aus dem Staunen nicht heraus!
***
Suko furchte die Stirn.
Er hatte den eleganten Neubau verlassen und stand jetzt vor dem seltsamen Wald, der sich noch auf dem Grundstück befinden musste, aber überhaupt nicht hierher passte.
Suko räusperte sich. Er holte durch die Nase Luft und spürte etwas von dem Geruch, der ihm entgegenwehte. Es war in dem Wald ein seltsamer Gestank, den er auch aus der Wohnung der Brenda Evans her kannte. Eine Mischung aus vermoderten Pflanzen und einer Flüssigkeit, die wie ranziges Öl stank.
In diesen Wald waren die beiden Frauen gegangen.
Jane Collins und Brenda Evans!
Von einer Nachbarin hatte Suko es erfahren, einer sehr neugierigen Person, die sich bestimmt nicht geirrt hatte. Und sie hatte auch von diesem Wald erzählt, allerdings nichts Konkretes, nur eben, dass er nicht gerade beliebt und auf einer ehemaligen Müllkippe angepflanzt worden war.
Wie feines Gespinst hing Dunst im Unterholz.
Ich träume, dachte Suko. Fast hätte er sich gekniffen. Er konnte nicht verstehen, dass dieser Wald von niemandem betreten wurde. Selbst spielende Kinder mieden ihn. Auch sie spürten seine böse Ausstrahlung.
Das hatte die Zeugin Suko zwar nicht direkt gesagt, doch er hatte es aus ihren Worten herausgehört.
Der Wald schwieg. Kein Vogel zwitscherte oder trällerte. Er kam ihm beinahe vor wie ein Dschungel, denn das Unterholz war ineinander verfilzt, es bildete ein Hindernis. Nur mit Gewalt konnte es durchbrochen werden.
Suko hatte den ersten Schritt getan, er würde den zweiten folgen lassen.
Kneifen gab es nicht. Er schaute noch einmal zurück. Die rückseitige Fassade des Hauses lag vor ihm. Die angebauten Loggien glänzten matt im Schein der Nachmittagssonne. Auf den breiten, überdachten Balkonen stand kein Mensch.
Der Bodenbewuchs veränderte sich. Die graue, ascheartige Oberfläche trat zurück. Ein grüner Film bedeckte den Untergrund, beinahe nur ein Hauch aus dünnem Moos.
Sukos Schritte wurden gedämpft. Er versuchte, durch Lücken zu spähen, aber er sah nur das beinahe lichtlose, grüne Dunkel zwischen den schlanken, kahlen Bäumen.
Suko lauschte in den Wald hinein. Er ging an seiner Flanke entlang. Ein leichter Wind wehte über den Platz, fand Eingang in jede Lücke, spielte mit altem Laub, das er geheimnisvoll raschelnd hin und her bewegte. Er ließ auch manche Zweige zittern, intensivierte den Geruch. Es kam Suko vor, als würde er aus der feuchten Erde strömen. Ein Gestank nach verkokelndem Müll und nach verfaulten Pflanzen.
Er war einige Schritte gegangen, als er einen schmalen Durchschlupf entdeckte. Ob ihn ein Mensch oder ein Tier geschaffen hatte, war ihm egal, Suko interessierte nur, dass der Spalt breit genug war, um ihn hindurchzulassen.
Er drehte sich hinein.
Erste Zweige streiften ihn. Sie wuchsen waagerecht von den
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