0684 - Wald der toten Geister
möchte Sie fragen, John, wie es jetzt weitergeht. Ich bin nicht so informiert.«
»Sir, ich muss nach Kensington.«
»Wo auch Suko hingefahren ist.«
»Genau. Sie haben nichts von ihm gehört, nehme ich an.«
»Er rief nicht an. Ichs habe es allerdings auch nicht versucht, befürchte aber Böses.«
»Sie stehen nicht allein da, Sir.«
Der Superintendent schaute auf seine Uhr, als könne er die Zeit beeinflussen. »Fahren Sie, John, aber fahren Sie schnell. Die Adresse kennen Sie?«
»Sogar das Ziel.«
»Dann bitte.«
Ich verließ das große und düster eingerichtete Büro. Hinter meiner Stirn jagten sich zwar die Gedanken, ich schaffte es jedoch nicht, sie zu kanalisieren.
Mike Evans war tot. Watkins hatte ihn erschossen. Wie würden die anderen Verdammten der Nacht darauf reagieren? Wie Mandragoro? Würde er durchdrehen und zu einem Amoklauf ansetzen, in dessen Sog auch Suko, Jane Collins und Brenda Evans gerieten?
Fragen, auf die ich mir die Antwort holen wollte. Der Motor des Rover war noch warm, als ich mich In den Wagen setzte und startete. Im Magen spürte ich ein verdammtes Ziehen, als hätte ich einen Becher mit Säure geleert…
***
Plötzlich schrie Brenda Evans auf!
Es war ein fürchterlicher Schrei, so grauenvoll, so schrill und schmerzgepeinigt.
Vielleicht auch deshalb so grauenvoll, weil in den Minuten zuvor das Schweigen wie eine dumpfe Glocke, die alles verschloss, über dem Wald gelegen hatte.
Dieser Schrei ließ nicht nur Jane Collins zusammenschrecken, auch Suko spürte den kalten Atem der Gänsehaut über seinen Körper rinnen, und er konnte den Grund noch immer nicht erkennen.
Der Schrei blieb noch für wenige Augenblicke als zitternde Wand zwischen den Bäumen stehen, dann sank er zusammen, als würde ein Zeltdach ineinander fallen. Über die Lippen drang nur noch ein leises Wimmern, doch irgendwie schlimmer als dieser laute Ruf.
Brenda hing in den Fesseln. Der Kopf hatte noch genügend Bewegungsfreiheit, um zur Seite rutschen zu können. Das war auch mit ihm geschehen. Es sah aus, als würde er auf der rechten Schulter liegen.
Suko richtete seinen Blick wieder auf den Boden. Er wollte sehen, ob auch Mandragoro auf irgendeine Art und Weise reagiert hatte, aber dessen Gesicht bewegte sich nicht.
Das Wurzelwerk blieb starr im Untergrund verhaftet. Gefühl zeigte dieses ungewöhnliche Puzzle nicht.
Brenda hing in den grünbraunen, lianenartigen Fesseln. Sie wimmerte nicht mehr, dafür atmete sie schwer, als stünde sie unter einem wahnsinnigen Druck, der ihre Seele belastete.
Suko bewegte sich so, dass Jane Collins auf ihn aufmerksam wurde und ihn anschaute.
»Bitte, Jane, frag sie.«
Die Detektivin nickte. Auch sie hatte dieser Schrei geschockt. Bleich stand sie inmitten der Fesseln, die ihre Beine umklammerten. Hinter der rechten Stirnhälfte spürte sie ein hartes Tuckern, die Nachwirkungen des Schlages.
»Brenda…«
Ihre Stimme klang weich, allerdings auch zu leise.
»Bitte, Brenda!«
Endlich bewegte sich die Gefangene. Sie hob den Kopf. Ihre Blicke glitten über die Verdammten der Nacht, die regungslos auf ihren Plätzen standen wie Statuen.
Brenda schaute Jane an. »Du - du - hast etwas…«
»Ich will wissen, weshalb du so plötzlich geschrieen hast. Was ist da passiert?«
Die rothaarige Frau überlegte noch, ob sie mit der Wahrheit herausrücken sollte. Dann sagte sie leise, aber so, dass es jeder hören konnte, der es wollte: »Er ist tot!«
»Wer ist tot?«
»Mike - mein - Sohn!«
Schweigen. Dumpf, bedrückend. Es war eine Stille, die nicht von außen kam, sondern aus den Seelen der hier anwesenden Menschen selbst. Sie war einfach da, sie raubte den Atem, selbst die Gedanken drängte sie zurück.
Jane wollte die Erklärung nicht akzeptieren. Nachdem sie sich gefangen hatte, fragte sie: »Aber du hast ihn doch selbst gesehen. Erinnere dich. Es war vor dem Kino, dann in deiner Wohnung und…«
»Er ist gestorben.«
»Woher weißt du das?«
Brenda ging auf die Frage nicht ein. »Man hat ihn getötet. Er wurde umgebracht. Er hat es nicht geschafft. Es ist zu viel für ihn gewesen. Man vernichtete ihn…«
»Du bist dir sicher?«
»Sicherer geht es nicht mehr.«
Jane schaute Suko an, hob dabei die Schultern, als wolle, sie sagen: Jetzt bist du an der Reihe.
Suko kniff nicht. »Wie können Sie das so fest behaupten, Brenda, wo Sie selbst nicht dabei gewesen sind?«
»Ich - ich war dabei«, würgte sie stockend hervor. »Mein Körper steht hier, aber
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