0688 - Der Kult
Gerade in den letzten Jahren hatte London es geschafft, wieder zu einem Trendsetter zu werden.
Shida schaute ihren Vater an, im Gegensatz zu den beiden Brüdern, die verlegen waren. »Wie können wir dir helfen?« erkundigte sie sich sehr direkt.
Er lächelte der Tochter zu. »Danke für deine Bemühungen, Kind. Aber ich glaube, daß ich da allein zurechtkommen muß.«
»Wie bitte?«
»Es ist meine Schuld. Ich habe alles verschuldet. Ich werde die Suppe auch auslöffeln. Das bin ich mir einfach schuldig.«
Rastu hob den Kopf. Auf seiner Stirn perlte Schweiß. Noch beherrschte er sich. Es war jedoch eine Frage der Zeit, wann er dies nicht mehr schaffte. »Wann kommt er?«
Bogan hob die Schultern. »Ich rechne am Abend oder in der Nacht mit ihm. Jedenfalls in der Dunkelheit, denn sie allein ist sein Schutz. Sie gibt ihm den nötigen Schutz.«
»Wir werden uns bewaffnen!« erklärte Poleno. Durch seinen Körper lief ein Ruck. »Ja, wir werden uns bewaffnen und es ihm zeigen. Wir müssen zusammenhalten, und wir müssen ihm beweisen, daß wir eine Familie sind, die nicht gespalten werden kann. Wir werden füreinander stehen, nur das zählt.«
Bogan schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn, glaubt mir. Es kann so nicht sein.«
»Wie denn?«
»Ich werde allein gehen. Ich werde ihn davon überzeugen, daß er sich mit mir zufrieden gibt. Ich bin der Initiator. Ich muß ihm sagen, daß ihr damit nichts zu tun habt.«
Shidas Haut verlor an Farbe. »Du… du willst freiwillig in den Tod gehen?«
»Nein, Tochter, so ist das nicht. Es steht eine Rechnung offen, die ich begleichen muß.«
Die Geschwister schauten sich an. Obwohl sie nicht darüber gesprochen hatten, wußten sie alle, daß ihr Vater sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen würde.
»Hast du denn Waffen?« flüsterte Rastu.
»Die brauche ich nicht.«
»Dann läßt du dich abschlachten!«
»Ich werde mit ihm reden. Ich muß versuchen, ihn zu überzeugen. Das ist alles.«
»Es wird keinen Sinn haben.«
»Doch, für euch.« Er blickte sie der Reihe nach an, als wäre es der letzte Blick, den er ihnen gönnen konnte. »Sehr lange habt ihr in meiner Wohnung gelebt. Ich kann euch nicht versprechen, daß es klappt. Ich weiß auch nicht, ob ihr es schaffen werdet, ihm zu entkommen. Ich würde euch allerdings raten, das Haus zu verlassen. Vielleicht gelingt es euch, ein Versteck zu finden. Irgendwo, wo er euch nicht so leicht finden kann. Ist das ein Wort?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte Rastu. »Wir möchten dich nicht im Stich lassen. Ich jedenfalls nicht. Wie die anderen denken, weiß ich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, daß es kaum anders ist - oder?«
Shida und Poleno nickten. In ihren Gesichtern und auch in den Augen stand eine finstere Entschlossenheit. Sie wollten nicht aufgeben, sie würden um ihr Leben kämpfen, das stand fest.
»Block A soll nicht zur Todesfalle werden, Vater«, sagte Shida. »Block A soll auch weiterhin das Leben bedeuten. Hast du verstanden?« Sie stand auf und ging auf Bogan zu. Sie mußte es einfach tun. Das Gefühl überschwemmte sie wie eine Woge.
Bogan Kulani bemerkte die Tränen, und es fiel ihm sehr schwer, sich zu beherrschen. Sie brachte ihre Lippen dicht an das Ohr des Vaters. »Es wird ihm nicht gelingen, uns zu töten. Nein, es wird ihm nicht gelingen.«
Bogan antwortete nicht. Er drückte seine Tochter nur an sich, eine Geste, die Vertrauen und Liebe ausdrücken sollte.
Seine Söhne standen auf. Sie wirkten ratlos, als sie miteinander sprachen. Und noch immer war es ihnen kaum möglich, zu glauben, was sie gehört hatten.
Als Shida ihren Vater losgelassen hatte, hörte sie ihren Bruder Rastu sprechen. »Wir werden nichts tun«, erklärte er. »Wir werden aber kämpfen, denn ich sehe nicht ein, daß wir Vor diesem killenden Phantom davonlaufen sollen. Du sollst dich auf uns verlassen können. Erst in der Not zeigt sich, was eine Familie zu leisten vermag.« Er räusperte sich. »Auch ich habe Gefühle, finde aber, daß jetzt nicht die Zeit ist, sich von ihnen überwältigen zu lassen. Wir müssen klar und logisch nachdenken, wie wir ihm eine Falle stellen können.«
Shida hatte verstanden. Sie ließ ihren Vater los und stellte sich vor ihre Brüder. »Das ist alles gut gesagt«, flüsterte sie. »Aber was sollen wir tun?«
»Vater nicht allein gehen lassen!« schlug Poleno vor.
Sein Bruder nickte.
»Und ich?« fragte Shida.
»Du bleibst auch in der Nähe.« sagte Rastu. Er wandte sich an
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