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0688 - Der Kult

0688 - Der Kult

Titel: 0688 - Der Kult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schalen und Pfannen hingen.
    Die Fenster in diesem großen Bau waren klein gehalten worden. Auch bei hellem Sonnenschein wirkten die Räume düster. Zusätzlich waren noch die Vorhänge zugezogen worden. Als Lichtquelle dienten Kerzen, die auf einem kleinen Altar standen, der zudem das Bild eines Götzen zeigte. Ein breitbeinig hockender bunter Buddha, der seinen Mund zu einem Lächeln verzogen hatte.
    Nur Bogan saß auf einem Stuhl. Vor sich auf die Oberschenkel hatte er die Puppe gelegt. Die Nadeln schauten aus dem Körper wie schmale Stäbe. Keiner hatte eine Frage gestellt, weil jeder wußte, daß der Vater schon die nötigen Erklärungen abgeben würde.
    Deshalb hatte er seine Familie zusammengerufen.
    Es waren nur noch drei. Zwei Söhne und eine Tochter. Sie hatten ihre Schwester Shida in die Mitte genommen.
    Rechts von ihr saß Rastu, ein junger Mann, der westlich gekleidet war, einen Anzug trug und eine Krawatte. Er hatte es geschafft und arbeitete in einer Bank. Er lehnte die alten Traditionen ab, aber er gehorchte trotzdem und wohnte noch bei der Familie.
    Links hatte Poleno Platz genommen. Er war zwei Jahre älter als seine Schwester und als der große Schweiger bekannt. Ziemlich düster schaute er in die Welt. Auf der Oberlippe wuchs der schmale Bart wie ein schwarzer Strich. Er war mit Jeans bekleidet und einem weiten, sehr bunten Hemd, das über die Hose fiel.
    Daß eine besondere Atmosphäre herrschte, merkte jedes der drei Kinder. Sie fühlten, daß ihr Vater einen anderen Weg eingeschlagen hatte und daß er bereit war, ein Stück seiner eigenen Vergangenheit freizulegen, von dem sie bisher nichts wußten.
    Alle drei waren über das Schicksal ihres Bruders informiert. Diese Zusammenkunft hing damit zusammen. Der Ernst der Lage war schon sehr deutlich zu spüren, aber keiner von ihnen wagte es, eine Frage zu stellen. Erst sollte der Vater beginnen.
    Bogan Kulani atmete tief und für seine Kinder hörbar ein. Sein Blick strich über ihre Gesichter hinweg, als wollte er sie noch einmal ansehen, bevor er in den Tod ging.
    »Es hat sich etwas verändert«, sagte er. »Und diese Veränderung begann mit Fahrans Tod.«
    »Aber das hat nichts mit uns zu tun«, sagte Rastu und zupfte an seinen weißen Manschetten.
    »Doch.«
    »Wieso?«
    »Er war der erste.« Die Worte des Alten tropften in die erwartungsvolle Stille. »Er war der erste, den die Rache traf.«
    Die jungen Kulanis schauten sich an. Shida war es, die nachfragte. »Um Rache auszuüben, muß es doch einen Grund geben, Vater! Gibt es einen?«
    »Ja, den gibt es.«
    »In unserer Familie?«
    »Richtig,«
    Shida schaute ihre Brüder an. »Also ich bin mir keiner Schuld bewußt. Ihr etwa?«
    Die Männer schüttelten die Köpfe.
    »Der Grund liegt nicht bei euch. Ich muß ihn bei mir suchen, in meiner Vergangenheit, von der ihr nicht alles kennt, wie ich eingestehen muß.«
    »Dann hast du Geheimnisse?«
    »So kann man es nicht nennen, Shida. Es ist so etwas wie ein Schicksal, über das ich mit euch sprechen muß, denn ihr alle seid davon betroffen. Ihr alle steht auf der Todesliste, die bereits geschrieben wurde, und zwar von einer Person, die ich immer vergessen wollte, es aber nicht schaffte und nun leider zugeben muß, daß sie zurückgekehrt ist.«
    »Wie heißt diese Person?«
    »Konda Kulani.«
    »Auch Kulani?« rief Poleno.
    »Ja, er ist euer Onkel, mein Bruder!« Bogan sagte es mit leiser Stimme und schaute zur Seite, als würde er sich seinen Kindern gegenüber schämen.
    Es wurde still. Der Vater hatte seine Kinder mit diesem Geständnis überrascht. Selbst Rastu, der Realist, der Nüchterne, schwieg für eine Weile. Dann meinte er: »Das haben wir tatsächlich nicht gewußt.«
    »Ich weiß.«
    Rastu zupfte an seinen Manschetten. »Und was ist mit ihm, diesem seltsamen Onkel?«
    »Er kehrte aus der Heimat zurück.«
    »Warum?«
    »Es stand noch eine alte Rechnung offen«, gab Bogan zu.
    »Bei der es sich um Mord und Totschlag dreht?« fragte Shida. Sie hatte erst jetzt wieder ihre Sprache zurückgefunden. »So etwas will mir nicht in den Kopf. Ich habe ja erlebt, wie deine Angst wuchs, Vater. Aber auch dein Bruder tut nichts ohne Motiv. Was ist der Grund für dieses grausame Verhalten?«
    »Ihr kennt den Wayang-Kult?«
    »Du hast oft genug von ihm erzählt«, antwortete Shida rasch. Sie bewegte ihre Hände und drückte dabei immer wieder die Fingerspitzen gegeneinander. »Es sind die Scherenschnitt-Figuren, die sich auf einer transparenten

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