0689 - Draculas Blutuhr
freiwillig abgegeben. Es war eine Erpressung gewesen, denn nur deshalb hatte Mallmann meine Mutter freigelassen, die sich für einige Zeit in seiner Gesellschaft befunden hatte.
Nun war ich an der Reihe…
Ich wollte mich bewegen, und den Blick von der Uhr wegnehmen, das war einfach nicht zu schaffen.
Mallmann hatte mir unsichtbare Fesseln angelegt, und er verstärkte den Druck sogar.
Ich stöhnte unter der Last, unter dieser verfluchten Kraft, die mich voll und ganz ausfüllte.
Auf das Kreuz konnte ich mich nicht konzentrieren. Es gelang mir nicht einmal, meinen rechten Arm zu heben, um wenigstens an eine der Waffen zu gelangen.
Und die Uhr wuchs.
Sie nahm eine unwahrscheinliche Größe an, wurde zu einem Mond des Schreckens, der mein Gesichtsfeld voll und ganz ausfüllte. Ich sah nur ihn, ich sah sein Gesicht, ich erkannte darin den großen Triumph, und in den Adern kochte mein Blut.
»Du kannst dich nicht wehren, Sinclair. Du kannst dich nicht wehren. Du gehörst mir…«
Er bewies es im folgenden Moment. Etwas drehte mich auf dem Hocker herum und drückte mich gleichzeitig nach hinten, wo keine Rückenlehne war, die mir Halt gegeben hätte.
Ich fiel zu Boden.
Den Aufprall spürte ich sehr deutlich. Etwas Hartes bahnte sich den Weg durch meinen Kopf. Meine Füße zuckten, die Hacken hinterließen dumpfe Trommelschläge.
»Gleich wirst du es spüren, Sinclair. Dann kommt es über dich. Der Druck wird stärker. Dir werden die beiden Blutzähne wachsen, und du kannst nichts dagegen tun…«
Er lachte, und ich hatte das Gefühl, dass mein Mund bis zur Kehle hin mit stockigem Blut gefüllt war…
***
Sukos Sorgen wuchsen!
John Sinclair hatte die Verabredung in der Pause nicht eingehalten. Eine Tatsache, die überhaupt nicht zu ihm passte, es sei denn, jemand hatte ihn mit Gewalt daran gehindert.
Aber wer?
Für den Inspektor kam eigentlich nur Amelia Astor in Frage. Doch war sie allein stark genug, um John zu stoppen? Er ging schon davon aus, dass sie einen gewissen Einfluss besaß. Sicherlich hatte sie auch Helfer, die ihr zur Seite standen.
Obwohl Suko sehr ruhig an einer strategisch übersichtlichen Stelle stand und dabei sehr ruhig wirkte, stand in seinen Augen das Gegenteil. Sie befanden sich in einer ständigen Bewegung, er schaute immer wieder in die Gesichter der Zuschauer, kannte bald die meisten, aber John entdeckte er nicht.
Die Pause verstrich.
Suko schaute zu, wie die Zuschauer in den Zuschauerraum strömten. Sie redeten miteinander, sie waren angetörnt. Er ging davon aus, dass einige unter ihnen die Pause genutzt hatten, um Drogen zu nehmen.
Er blieb zurück.
Nicht als einzige Person, denn durch das Foyer lief ein Mann, der einen grauen Kittel trug und auf eine bestimmte Tür zuschritt. Suko stellte sich ihm in den Weg.
»Hören Sie, Mister, lassen Sie mich vorbei. Ich bin Inspizient und muss hinter die Bühne.«
»Da wollte ich auch hin!« Suko sagte es spontan, denn dort hatte er noch nicht nach John geschaut.
»Sie?« Der Kittelträger riss die Augen auf.
»Ja, hier, lesen Sie!« Suko zeigte ihm den Ausweis.
Der Inspizient erbleichte. Er atmete schnaufend. »Nun ja, dann kommen Sie. Darf ich fragen, wen Sie verhaften wollen?«
»Keinen. Ich suche einen Mann.«
»Von uns?«
»Nein.«
Die beiden hatten die Tür erreicht. Sie war aus Metall gefertigt worden und feuerfest. Sekunden später betraten sie die Welt jenseits von Glamour und Flitter.
Sie war grau, sie war irgendwie düster, und sie roch nach Staub und altem Rost.
Die meisten Akteure befanden sich bereits auf der Bühne. Auch Amelia Astor entdeckte Suko nicht.
Einige Tänzer standen in Wartestellung, sehr angespannt.
Als Suko einen jungen Mann ansprach, erntete er einen funkelnden Blick. »Lass mich in Ruhe, Mann!«
»Haben Sie einen Fremden gesehen, der folgendermaßen aussieht?« Suko gab eine Beschreibung.
»Nein.«
»Aber ich«, sagte ein anderer.
»Und wo?«
»Er ist in Amelias Garderobe gegangen. Ja, dort werden Sie ihn wahrscheinlich finden.«
»Danke sehr.«
Die Garderobe zeigte ihm der Inspizient, der sich dann wieder um seinen eigentlichen Job kümmerte und die Tänzer auf die Bühne schickte.
Allein ging Suko dem Ziel entgegen. Er sah die beiden Buchstaben auf der Tür und hoffte, dass sie nicht verschlossen war.
Ruckartig zerrte er sie auf.
Das nackte Entsetzen packte ihn. Er starrte in die Garderobe und sah seinen Freund John am Boden liegen.
Vor dessen Lippen stand gelblicher Schaum wie
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