0689 - Draculas Blutuhr
unter der Uhr lag. Zunächst sehr langsam, dann aber stärker, sodass diese Erwärmung schon sehr bald zu einem Brennen wurde, das mein Handgelenk wie Feuer durchtoste.
Es blieb auch nicht auf diese Stelle fixiert, es wanderte weiter den Arm hoch, bis es die Schulter erreichte, sich dort ebenfalls ausbreitete und schließlich als unsichtbares Tuch meinen Brustkasten voll und ganz ausfüllte.
Heißes, feuriges Blut, das nicht nur meinen Körper erfüllte. Es beeinträchtigte mich auch auf eine andere Art und Weise, denn es wollte Besitz von meinen Gedanken nehmen, um somit meine eigene Psyche zu verändern und eine andere dagegensetzen.
Mein Atem ging schwer. In meinem Kopf rauschte es. Die Umgebung verschwamm allmählich. Sie sah so aus, als würde sie von unsichtbaren Kräften in den Hintergrund geschoben. Wenn ich in den Spiegel schielte, sah ich ihn nur als verwaschene Fläche, als würde dünner Nebel darüber hinwegstreichen.
Das war nicht zu erklären…
Beinahe magisch wurde mein Blick vom Zifferblatt der Armbanduhr angezogen.
Noch war es schwarz, noch bestand die Trennung zu der goldenen Fassung, aber der einst so feste Stein war in Bewegung geraten und gab etwas frei, das in der Tiefe gelauert hatte.
Etwas Schreckliches, Furchtbares, vor dem ich mich hätte fürchten oder es zumindest ablehnen müssen.
Aber nichts dergleichen. Ich war regelrecht gespannt darauf, zu erfahren, was sich nun näherte.
Es nahm Gestalt an, Umrisse erschienen.
Ein bleiches Gesicht, dunkle Haare, eine hohe Stirn mit einem blutigen D in der Mitte.
Das D für Dracula II!
Ich sah in das Gesicht meines Todfeindes Will Mallmann!
***
Eigentlich hätte mich der Schreck treffen müssen. Stattdessen saß ich da und schaute fasziniert auf das Zifferblatt, als hätte ich nur darauf gewartet, endlich dem großen Meister ins Angesicht sehen zu können.
Mallmann war da. Und Mallmann alias Dracula II kontrollierte diese Uhr.
Hätte ich es mir denken können?
Nein, darauf wäre ich nie gekommen. Außerdem spielte das jetzt keine Rolle mehr, denn ich war von dem Anblick der Vampirfratze weder geschockt noch abgestoßen, sondern auf eine ungewöhnliche und schaurige Art und Weise fasziniert.
Ja, dieses Gesicht faszinierte mich. Es war einfach allumfassend. Es drang in mich ein, es nahm mich gefangen, es veränderte mich innerlich, und ich merkte plötzlich, dass sich in meinem Körper etwas ausbreitete, das ich zuvor nicht gekannt hatte.
Eine regelrechte Gier.
Die Gier nach Blut.
Meine Zungenspitze stieß aus dem Mund und umkreiste die Lippen. Ich atmete heftig und stieß diesen Atem gegen das Zifferblatt, um es zu umfangen.
Was war das nur?
Das Gesicht blieb. Sehr düster glühte das D auf der breiten Stirn. Die beiden langen Blutzähne des Vampirs traten sehr deutlich hervor, als wären sie so etwas wie eine Botschaft für mich.
Dann hörte ich ihn. Verdammt, es war seine Stimme, die sich in meinem Kopf ausbreitete, die das Gehirn erfüllte und mein eigenes Fühlen und Denken weit zurückschraubte.
Mallmann sprach auf telepathischem Weg mit mir. Er wollte von mir etwas hören, er wollte aber auch seinen Triumph auskosten, wie schon seine ersten Worte bewiesen.
»Du bist es, John Sinclair. Du trägst jetzt meine Uhr. Ich habe gehofft, dass es so kommen würde…«
Es fiel mir schwer, die Gedanken zu einer Frage zu ordnen. »Wieso ist es deine Uhr?«
»Ja, die Blutuhr.«
»Blut?«
»Schau auf das Zifferblatt. Mein Gesicht zeichnet sich dort ab. Es ist eingehüllt in den Stein, sodass ich überall bin. Ich kann dich genau beobachten. Ich kann dich zu mir holen, ich kann dich in meine Welt reißen, denn es gibt durch die Uhr einen unmittelbaren Kontakt zu dir, John. Durch die Uhr…«
»Ich - ich sehe es…«
»Aber du weißt noch nichts.«
»Dann kläre mich auf.«
»Das will ich gern tun. So schlicht die Uhr auch erscheinen mag, so faszinierend ist sie auf der anderen Seite. Dies geschieht durch meine Beeinflussung, denn ich habe für die Beschaffenheit des Zifferblattes gesorgt. Ich allein. Hast du nicht herumgerätselt, woraus dieser schwarze Stein bestehen könnte, der eine derartige und einmalige Faszination trotz seiner Schlichtheit auf den Betrachter ausübt?«
»Das stimmt.«
»Ich will es dir sagen, Sinclair. Es ist ein Stein, aber eigentlich ist er flüssig. Denke nach, denke genau nach…«
Das tat ich, aber es war schwer, weil in meinem Kopf alles durcheinander brauste und ich den Eindruck hatte,
Weitere Kostenlose Bücher