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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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gab seine Aufträge. Nach diesem Gespräch rief er eine andere Buchmacherfirma an. Dann noch eine ...
    Beschwingt, in gehobener Stimmung, verließ er abends das Büro. Er und sein Verbündeter hatten begründete Aussicht, vierzehntausend Pfund und mehr zu gewinnen. Freilich konnte er auch zweitausendfünfhundert Pfund verlieren. Nicht gerade ein angenehmer Gedanke in diesen Tagen, in denen es ihm schwerfiel, die Gehälter zu bezahlen. Bei Tag und Nacht folterte ihn der Gedanke, daß er in einem schwachen Augenblick eine Quittung über die Aktien ausgehändigt hatte, die jeden Augenblick von Braid unter den Dokumenten gefunden werden konnte.

10
    Tony Braid hatte sein Frühstück beendet, steckte sich eine lange schwarze Zigarettenspitze in den Mund und sah seine Post durch. Er fühlte, daß jemand das Zimmer betreten hatte, blickte sich aber erst um, als er ein unterdrücktes Lachen und seinen Namen hörte. Mit einem Ruck hob er den Kopf.
    »Großer Gott, wie kommen Sie hierher?«
    »Ich bin von Somerset hergefahren«, sagte Ursula. »Es ist dort zum Sterben langweilig, Tony. Ich bin bei Verwandten meines geliebten Vaters. Furchtbar kleinliche Menschen, die entsetzt sind, daß ich nicht dauernd weine und lamentiere. Sie selbst trauern schrecklich; aber ich glaube, das ist der Normalzustand bei ihnen.« Sie sah sehr hübsch aus, sehr groß und schlank, und für ihn betrübend jung. Ihr sonst blasses Gesicht war rosa überhaucht von der raschen Fahrt in der Morgenluft.
    »Haben Sie Ihre Zelte abgebrochen?«
    Sie seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Vorläufig muß ich noch dort bleiben. Nur durch die raffiniertesten Lügen habe ich mich überhaupt fortgeschmuggelt. Der Butler ist die einzig fühlende Seele. Wie steht's mit seinem Tip?«
    »Er gewinnt bestimmt«, versicherte Braid. Dann fragte er: »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    Sie hatte in Oxford Kaffee getrunken. Er klingelte und bestellte ihr ein zweites Frühstück.
    »Alle Zeitungen sind voll von Ihrem Barley Tor. Warum lassen Sie zwei Pferde laufen?« wollte sie wissen.
    »Weil ich ein gerissener Kerl bin«, erklärte Tony. »Mr. Rex Guelder wäre auch sehr enttäuscht, wenn ich es nicht täte.«
    Ihr Miene verfinsterte sich.
    »Ich hasse den Menschen. Er hat etwas Widerliches an sich.«
    »Kennen Sie ihn denn näher?« fragte er gespannt und dachte an ihre frühere Erwähnung des Holländers.
    »Er kam zwei- bis dreimal zu uns ins Haus. Nie habe ich ein solches Gefühl des Unbehagens empfunden wie in seiner Nähe. Nein, frech war er durchaus nicht, im Gegenteil, eher schleimig liebenswürdig. Einmal küßte er mir die Hand. Ich wehrte es ihm nicht, weil ich es für eine kontinentale Sitte hielt. Er hat etwas an sich, was vielleicht nur eine Frau empfindet. Man fühlt die Gemeinheit seines Wesens. Es überkommt einen fast körperlich. Julian behauptet, er sei sehr klug.«
    »Haben Sie etwas von Julian gehört?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich möchte auch nichts von Julian hören«, rief sie erbittert. »Wir sind nicht im besten Einvernehmen geschieden. Vielleicht habe ich nicht recht gehandelt, Tony, ich sagte ihm, wir beide wären übereingekommen, die Sache mit meinen Aktien nicht allzu genau nachzuprüfen. Der arme Vater! Man hat mir gesagt, daß seine geliebten Lulanga-Aktien zu einem lächerlichen Preis verkauft würden — für fünf Shilling oder so.«
    Braid berichtete:
    »Zu diesem Kurs werden sie nicht verkauft, sondern angeboten. Es sollte mich sehr wundern, wenn überhaupt Geld dafür zu kriegen wäre. Das Merkwürdige daran ist, daß die letzten Berichte, die ich gelesen habe, außerordentlich günstig lauteten. Kein Mensch in der City weiß, was eigentlich los ist. Ein Gerücht geht um, die Quellen wären versiegt. Das ist aber ganz unbestätigt. Und nach dem wenigen, was ich von Öl verstehe, hätten wir sicher sehr genaue Nachricht, wenn das wahr wäre.«
    »Wir?« fragte sie verwundert. »Sind Sie denn auch an diesen unseligen Aktien beteiligt?«
    Er nickte langsam.
    »Ja — nicht persönlich. Aber Sie vergessen, daß ich Testamentsvollstrecker und Nachlaßverwalter Ihres Vaters bin. Er besaß ein enormes Paket dieser Aktien und Sie wahrscheinlich auch.«
    Nach langem Schweigen fragte sie: »Können Sie es verstehen, Tony? Je länger ich darüber nachdenke, desto unbegreiflicher erscheint mir alles. Warum sollte Vater Selbstmord begangen haben, nachdem Sie ihm Ihre Hilfe zugesagt haben?«
    »Ich glaube, er hat meinen Brief nicht

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