069 - Opfer der Daemonen
die leuchtend blau höher und immer höher führte, als ginge sie geradewegs bis zum Mond.
Der Mönch faßte nach den Schnüren auf seiner Brust und schritt vorwärts. Lowry blickte rasch um sich, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte das dunkle Etwas weder sehen noch sein Gelächter vernehmen.
Sie gingen weit, liefen durch grünende Felder und an schlafenden, kleinen Häusern vorbei. Einmal begegneten sie einer Gestalt mit gebeugten Schultern und vermummtem Gesicht, die mit müden Schritten abwärts ging.
Die Straße wurde sehr uneben, als hätte sie früher aus Stufen bestanden, die zu Geröll und Staub verbröckelt waren. Grasbüschel wuchsen aus den Spalten. Vor ihnen begannen langsam verschwommene Gebirgszüge Gestalt anzunehmen, und Lowry hatte plötzlich den Eindruck, als kämen sie ihnen rascher und immer rascher entgegen. Die Straße wand und krümmte sich und sackte dann talwärts ab, als wären Lawinen und Erdbeben hier an der Tagesordnung. Gelegentlich zitterte der Boden unter ihnen, und einmal brach ein ganzes Stück hinter ihnen ab und donnerte in die Tiefe.
„Nun wird es schwieriger“, sagte Sebastian. „Sind Sie jemals in den Bergen geklettert?“
„Nicht oft.“
„Na, stark genug sehen Sie ja aus.“
Sebastian bog von der Straße ab und begann ohne die geringsten Schwierigkeiten eine fast vertikale Felswand zu ersteigen. Lowry folgte ihm und sah zu seiner Verwunderung, daß die Felswand, die ihm anfangs so hoch erschienen war, nur etwa drei Meter maß. Er erstieg sie leicht. Dann gingen sie eine Weile an ihrer Kante entlang und sahen die Straße in der Ferne entschwinden, bis sie nicht mehr als ein schmales, helles Band war. Hier oben wehte der Wind etwas stärker, aber es war immer noch warm, und der Mond schien freundlich auf sie herab. Offensichtlich sollten sie nicht gesehen werden, denn Sebastian drückte sich nun gegen eine zweite Felswand, die wirklich ziemlich hoch war.
„Seien Sie vorsichtig“, sagte Sebastian.
Endlich hatten sie die Spitze der Felswand erreicht. Der Kamm führte im rechten Winkel von ihnen weg, und nur ein rauer Felsblock gab ihnen Halt.
Lowry blickte in die Tiefe und fühlte leichte Übelkeit. Seine Abneigung gegen Felsschlünde war nicht stärker als die jedes anderen Menschen, aber der Abgrund hier führte tatsächlich ins Bodenlose. Man hatte das Gefühl, bei der geringsten Bewegung ins Nichts zu stürzen. Weit, weit unten, nicht dicker als ein dünner, glänzender Draht, wand sich ein Fluß durch das felsige Tal, und hin und wieder fanden Bäume ein kleines Eckchen Boden in der senkrechten Wand, in dem sie ihre Wurzeln verankern konnten.
Sebastian war bereits weitergegangen. Jim wollte ihm die Kammbiegung entlang folgen, aber als er sich weiter tastete, fand er keinen Halt mehr.
Er beugte sich weit nach vorn, sah einen Felsvorsprung, und es schien ihm, als könne er ihn erreichen, wenn er sich halb fallen ließ und zur selben Zeit danach griff. Lowry sprang und umklammerte gleichzeitig den Fels. Er fand Halt, nur seine Beine hingen lose über dem Abgrund.
„Nur weiter“, sagte Sebastian.
Lowry zog sich hoch. Es war schwierig, nicht den Halt zu verlieren, denn der Fels war rau und zerschnitt seine Hände. Er versuchte, Sebastian zu folgen, doch er hatte ihn aus den Augen verloren.
Der Professor ermüdete. Übelkeit übermannte ihn.
Er starrte die Steinkante vor sich an, auf dem ein großer, schwarzer Fleck hockte. Zwei böse Augen funkelten ihn an.
Lowry drehte sich um. Ihn schauderte vor der Leere unter sich.
In diesem Augenblick hörte er ein leises, schnurrendes Geräusch, und das finstere Ding vor ihm richtete sich auf. Eine unsichtbare Kraft begann langsam, Lowrys Finger von dem Fels zu lösen.
„Sebastian!“
Keine Antwort.
„Sebastian!“
Eine seiner Hände löste sich bereits von dem Fels, und ein paar Sekunden später schwankte Lowry unsicher. Er fühlte, wie sich auch die zweite Hand zu lösen begann, und er erinnerte sich an den Colt in seiner Hosentasche. Aber in dieser lebensgefährlichen Situation würde er ihn nicht mehr benutzen können.
Mit einem schrillen Angstschrei fiel er von der Klippe in die Tiefe. Ein kalter Luftzug strich über sein Gesicht. Mond und Sterne wirbelten um ihn herum, und die Felswand zog mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihm vorbei. Der schmale Fluß am Fuße des Abgrundes wurde jedoch nur unwesentlich breiter.
Jim Lowry erinnerte sich nicht mehr an seine Landung. Er lag auf einer
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