069 - Opfer der Daemonen
seinem Blickfeld zu entfliehen.
Mit einem wilden Schrei drehte er sich um und rannte davon. Einen Augenblick hatte er Ruhe gefunden, einen einzigen Augenblick, und nun wurde er erneut von den Mächten der Finsternis gejagt, die ihn vernichten wollten!
Als Lowry am Morgen erwachte, stand die Sonne schon strahlend am Himmel. Bis zum Aufstehen hatte er wenigstens noch eine halbe Stunde Zeit. Sonst blieb er in einem solchen Fall gern noch ein Weilchen liegen, aber heute war es anders.
In einem der Bäume saß ein Rotkehlchen und trällerte übermütig sein Lied, und prompt kam aus einem anderen Teil des Gartens die Antwort.
Irgendwo lief bereits ein Rasenmäher, und auf der Straße pfiff ein Passant fröhlich vor sich hin. Eine Tür schlug zu, und zwei Hunde bellten um die Wette.
Von unten her klang ein leiser Singsang herauf.
Plötzlich hörte Jim Lowry die Diele vor seinem Zimmer knarren. Irgendwie erschien ihm das Geräusch bedrohlich.
Lautlos bewegte sich die Türklinke. Die Tür öffnete sich einen winzigen Spalt. Wieder knarrten die Bretter, und die Türangeln quietschten leise.
Jim Lowry schloß die Augen, bis er nur noch durch einen schmalen Spalt beobachten konnte, was um ihn herum vorging.
Die Tür öffnete sich jetzt weiter. Tommys Gesicht, von zerrauftem Haar umgeben, erschien im Rahmen. Seine Hand lag auf der Klinke, als sei er jeden Augenblick bereit, sich wieder zurückzuziehen.
Lowry lag völlig regungslos.
Williams kam herein und trat ans Fußende des Bettes. Er schien ganz zufrieden, daß der Freund schlief. Ein Weilchen studierte er Lowrys Gesicht, bereit zu lächeln und‚ Guten Morgen’ zu sagen, falls der andere aufwachen sollte.
Professor Lowry fragte sich, wieso er plötzlich auf den Gedanken kam, Tommy zu täuschen. Was rechtfertigte eine solche Vorsichtsmaßnahme? Mißtraute er allen Menschen seiner Umgebung?
Reglos sah Tommy Williams in das Gesicht des schlafenden Freundes. Dann warf er einen schnellen Seitenblick auf die Tür, als wolle er sich vergewissern, daß ihn niemand stören könne und schlich langsam am Bett entlang.
Lowrys erster Impuls war es, aufzuspringen und Tommy am Hemd zu packen. Aber er beherrschte sich und beobachtete neugierig, was weiter geschehen würde.
Tommys Hände glitten jetzt sacht über Lowrys Augen. Einmal und noch einmal. Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich des scheinbar schlafenden Mannes.
Nun war es genug! Gleich würde er den Erwachenden spielen und Tommy begrüßen. Plötzlich stellte Lowry fest, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Er war wie versteinert, nahm aber jede Bewegung des anderen wahr.
Williams beugte sich über ihn, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. In diesem Augenblick glaube Lowry, lange Zähne in dessen Mund gesehen zu haben, die den Fängen eines Raubtieres glichen. Ehe er aber einen zweiten Blick darauf werfen konnte, war der Eindruck verschwunden.
Tommy verharrte länger als eine Minute in der gleichen Haltung, dann richtete er sich wieder auf. Ein kaltes Lächeln stand jetzt in seinen ebenmäßigen Zügen. Noch einmal glitt seine Hand über Lowrys Augen, dann nickte er zufrieden, drehte sich um und schlich aus dem Raum.
Leise schloß sich die Tür hinter ihm.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Lowry sich wieder bewegen konnte. Er setzte sich auf den Bettrand und fühlte sich schwach wie ein Mann, nachdem er Blut gespendet hat. Es kostete ihn eine Menge Energie aufzustehen und an den Spiegel zu treten. Dort hielt er sich an dem kleinen Tischchen fest und starrte in sein fahles Gesicht.
Seine Augen lagen tief in den Höhlen, das Haar war verfilzt, seine Züge wirkten welk und schwammig. Er sah aus, als hätte er viel an Gewicht verloren. Er sah zum Fürchten aus.
Lowry verdrängte gewaltsam seine Müdigkeit und versuchte eilig, die tiefen Furchen, die durch seine nächtlichen Erlebnisse entstanden waren, zu entfernen, indem er sich mit kaltem Wasser wusch und sorgfältig rasierte. Dann badete er und kämmte sich. Als er beim Binden seiner Krawatte in den Spiegel blickte, faßte er wieder Mut.
Schließlich war heute ein wunderschöner Frühlingstag, und der Teufel sollte Jebson holen. Der alte Idiot würde sowieso lange vor ihm ins Gras beißen müssen. Zum Teufel auch mit den vier Stunden! Was waren schon vier Stunden im Leben eines Mannes? Er würde auch mit den lächerlichen Gespenstern fertig werden, die ihn gequält hatten. Er hatte genügend Mut und
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