0693 - Voodoo in Dortmund
mit dem Fuß auf. »Doch, verflixt, die will ich jetzt sehen. Du sollst sie mir zeigen. Bisher kann ich nur glauben, aber glauben heißt nicht wissen.«
»Ja, das stimmt.«
»Und weshalb willst du sie mir dann nicht zeigen?«
»Aus Gründen der Sicherheit.«
»Papperlapapp, komm jetzt!« Rita drehte sich, umfaßte den Arm ihres Mannes und zog ihn mit auf die Tür zu.
Sie hatten ihr Geschäft woanders, aber die Waren, die sie zur Roman- und Comicbörse mitnehmen wollten, standen in Kisten verpackt im Keller des Mietshauses. Es war ihnen gelungen, von einer älteren Nachbarin den geller zu mieten, so daß sie auch hier den nötigen Lagerraum besaßen. Ein Freund, Ewald Fehlau, bekam immer feuchte Augen, wenn er als eifriger Sammler den Keller durchstöbern konnte und daran dachte, daß sein eigener für seine umfangreiche Sammlung viel zu klein war. Ewald galt in der Branche als einer der besten Comic- und Romanszenenkenner Deutschlands.
Beide zogen sich in der viereckigen Diele ihre Mäntel über. Das Deckenlicht ließ ihre Gesichter gelb und ungesund erscheinen, und so fühlten sie sich auch.
Reinhold nahm den Schlüssel mit. Im Treppenhaus war es still. Die Stufen bestanden aus Stein, da knackte oder arbeitete nichts, als sie nach unten schlichen.
Reinhold ging vor, und beide kamen sich ein wenig vor wie Diebe im eigenen Haus.
Im Keller roch es immer faulig. Es war zudem feucht. Manchmal tropfte sogar Wasser von den Wänden, deren Kalkschicht an zahlreichen Stellen gelbe Schimmelflecken zeigte.
Die Lampe unter der niedrigen Decke war noch vergittert. Ihre beiden Keller lagen ganz hinten, wo es mehr nach Kartoffeln roch. Zwei Vorhängeschlösser sicherten die Türen.
Reinhold schloß auf. Rita stand bei ihm und hatte die Arme um ihren Körper geschlungen, als wollte sie sich selbst wärmen.
Der Schlüssel kratzte im Schloß. Ein kurzer Ruck, die Tür war nicht mehr verschlossen, und Reinhold zog sie auf. Vor seiner Frau betrat er den Keller.
Hier herrschte Ordnung, obwohl sich zahlreiche Kartons übereinander stapelten, aber sie alle waren geordnet und von ihm beschriftet worden, so daß es später kein Durcheinander geben würde, wenn im Goldsaal neben der Westfalenhalle aufgebaut wurde.
Seine Lippen zuckten, aber sie zeigten kein Lächeln. »Soll ich dir ehrlich etwas sagen, Rita?«
»Bitte.«
»Ich habe Angst. Ich habe plötzlich eine verdammte Angst bekommen. Und du wirst auch gleich sehen, weshalb ich das sage. Komm mit.« Er ging an den Kartons vorbei zu einer alten Kommode, die mit mehreren breiten Schubladen ausgerüstet war.
»Dann willst du das Buch nicht mitnehmen?« fragte Rita.
»Nein, das nicht. Ich lasse es hier. Die Comics habe ich sicherheitshalber eingepackt.«
»Ist mit ihnen nichts passiert?«
Reinhold hatte beide Hände um die Eisengriffe der Schublade gelegt und zog daran. Das Holz quietschte, die Lade ruckte, es dauerte eine Zeit, bis er sie aufgezogen hatte.
Zerfledderte alte Hefte ohne Umschlag befanden sich dort. Viele steckten in Plastiktüten, denn sie gehörten zu den Schätzen des Händlers, auch wenn einige von ihnen keinen Umschlag mehr besaßen. Doch viele davon waren sehr alt und begehrte Sammlerstücke, und Reinhold wollte sie nur noch aufarbeiten.
Sehr vorsichtig schob er die bunten Comics zur Seite, um das eigentliche Buch hervorzuholen.
»Da ist es ja«, sagte Rita. Ihre Stimme sollte locker klingen, was ihr aber nicht gelang.
Reinhold hielt ihr das Buch hin. »Da, schaut es dir an.«
Sie runzelte die Stirn. »Du willst es mir in die Hand geben?«
»Ja, bitte.«
Sie nahm es vorsichtig entgegen. Es war kein dickes Buch, besaß aber einen festen Kartonumschlag, der zum Inhalt des Buchs paßte, denn er war pechschwarz.
»Und jetzt?« fragte sie.
Reinhold hob die Schultern. »Schlage es auf, bitte.«
»Das ist…«
»Mach schon!«
Rita tat es. Sie war stumm geworden und ärgerte sich über sich selbst, daß sie zitterte. Sie schlug das Buch auf - und zuckte zurück, als ihr eine Wolke aus Staub oder Asche entgegenwirbelte, denn die Seiten, aus denen sich das Buch einmal zusammengesetzt hatte, waren nur mehr verkohlte und verbrannte Reste.
Zumeist waren sie in der Mitte und am Längsrand zerfressen, abgekohlt, schlecht verbrannt.
»Das begreife ich nicht…«
»Ich auch nicht, Rita.«
»Wer hat das getan - du?« Im nächsten Moment bereute sie ihre Frage, denn Reinhold schaute sie mit einem Blick an, als wollte er sie im nächsten Augenblick
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