0696 - Im Bann des Verfluchten
man ein ungutes Gefühl nennt…
***
Etwas kroch an ihrem Arm hoch, und im Magen spürte sie einen Druck, der jeden Augenblick explodieren konnte und sich bereits bis in ihren Kopf ausgebreitet hatte.
Colette Mercier ging es mies, sehr mies sogar, und sie hatte überhaupt keine Ahnung, was alles passiert war. Nur allmählich kehrte die Erinnerung zurück, sie tastete sich bruchstückhaft hinein in ihren mit Schmerzen erfüllten Kopf, aber es gelang ihr nicht, zu einem Resultat zu gelangen. Eines nur stand jedoch fest: Sie war in eine Falle getappt!
Und Edna hatte sie ihr gestellt. Ausgerechnet sie, ausgerechnet die Frau, der niemand etwas zutraute. Weshalb hatte sie das getan? Mit wem arbeitete sie zusammen?
Es waren einfach zu viele Fragen, die auf Colette einstürmten, sie drängte sie auch zurück und kümmerte sich zunächst um ihr persönliches Befinden.
Sie lag auf dem kalten Boden. Spürte die harten Steine, und sie merkte auch, dass die Kühle begann, durch die Kleidung zu dringen. Colette fror.
Lange würde sie hier nicht liegen bleiben können, das stand fest, und man hatte ihr auch zumindest die Chance gegeben, sich umzuschauen, denn es gab eine Lichtquelle.
Licht bedeutet Wärme, bedeutet auch Hoffnung. Beides konnte ihre Angst nicht mildern, aber sie war schon froh, dass man sie nicht in völliger Finsternis zurückgelassen hatte.
Colette richtete sich auf.
Schmerzen schossen wie Wellen durch ihren Kopf, liefen in ihrem Nacken zusammen, wo sie zu explodieren schienen, und sekundenlang hatte sie den Eindruck, einfach wegzufliegen, irgendwo gegen eine Wand zu schmettern.
Sie blieb jedoch hocken, der Anfall verging, die Schmerzen zogen sich zurück, allerdings nicht ganz. Sie blieben als leichtes Hämmern im Kopf.
Dann atmete sie durch. Sie tat es automatisch, als wollte sie ihr seelisches Gleichgewicht zurückerlangen.
Es klappte.
Allmählich ließen die Schwindelgefühle nach. Das Licht kristallisierte sich und war nicht mehr die taumelnde, tanzende Quelle, die von einer Seite zur anderen schwang, sondern jetzt klar vor ihr stand, aber trotzdem für sie meilenweit entfernt schien, denn zwischen ihr und dieser Lichtquelle stand ein unüberwindbares Hindernis.
Es waren Gitterstäbe!
Zunächst begriff sie es nicht. Sie zwinkerte mit den Augen, weil sie annahm oder hoffte, gegen Schatten zu schauen, die vom Licht der Lampen verursacht wurden, aber sie verschwanden nicht.
Die Gitter blieben…
Sie waren echt, so verdammt echt.
Also steckte sie in einem Gefängnis!
Polizei, Gefängnis, Verhöre, grinsende Kommissare, Menschen, die sich einen Spaß daraus machten, Gefangene zu quälen, und deren Gesichter hinter Wolken von Zigarettenrauch verschwanden.
Dieses Bild hatte Colette von den Polizisten. Es stimmte nicht, aber es kam immer wieder, weil sie auf der anderen Seite stand und sich vor Szenen wie den geträumten fürchtete.
Hinzu kamen noch die Bilder aus dem Fernsehen. Die zahlreichen Serien, in denen die Bullen auftraten wie Söldner und mit den Zeugen machen konnte, was sie wollten.
Dieser Traum verblasste, die Realität nahm wieder Besitz von Colette Mercier.
Sie erinnerte sich daran, dass jemand anderer sie in eine Falle gelockt hatte. Edna!
Das Gesicht so grau, so lauernd, die Lippen so grinsend. So war sie von dieser Person empfangen worden. Einer Frau, der niemand etwas zutraute. Sie hatte das Haus betreten, war aber nicht dazu gekommen, sich umzuschauen, denn ihr Bewusstsein war auf einmal verloschen.
Radikal, von einer Sekunde auf die andere.
Und jetzt dies.
Die Gitter, der Fels, das Gefängnis.
Sie zog sich an der Wand hoch.
Ziemlich wackelig stand sie auf den Beinen. Vorsichtig ging sie auf das Gitter zu und blieb dicht vor den Stäben stehen, sodass sie diese mit beiden Händen umfassen konnte.
Sie waren nicht blank. Irgendetwas kratzte über ihre Handfläche, wahrscheinlich Rost.
Sie stand da, schaute hinaus und schaffte es, die aufkeimende Panik zu unterdrücken.
Wo hielt man sie fest?
Ihre Umgebung sah aus wie ein Gewölbe. Schaute sie durch die Lücken der Stäbe, fiel der Blick in einen Gang. Auf der anderen Seite zog sich eine Mauer wie ein braungrauer Schatten dahin. Sie bestand aus wuchtigen Steinen, schimmerte sehr feucht, und an manchen Stellen hatte sich Wasser gesammelt.
Die Lampe baumelte von der Decke. Nur eine simple Glühleuchte, die ihren matten gelben Schein in verschiedene Richtungen streute, sodass er auf den Wänden an bestimmten Stellen
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