0696 - Im Bann des Verfluchten
als ich mich in Bewegung setzte. Ich ging schnell, denn von der Straße her vernahm ich das typische knatternde Geräusch eines Mopeds, und ich wollte nicht unbedingt gesehen werden.
Das Zweirad rollte vorbei.
Ich ging weiter.
Die Stufen waren uneben. Nicht nur von unterschiedlicher Höhe, sondern auch ausgetreten und mit Kuhlen versehen, die manchmal wie Fußstapfen wirkten.
Mir kam der tote Deutsche in den Sinn, und ich fragte mich, ob auch er diesen Weg gegangen war.
Ein Geländer war nicht vorhanden, und so balancierte ich hinter meinem Freund Suko her.
Je tiefer ich kam, umso mehr verstärkte sich der Eindruck einer unheimlichen Umgebung. Es war mir, als würden die Schatten immer stärker werden, sich zudem bewegen und von zwei Seiten auf mich zuwachsen, um mich zu umfangen.
Wir schritten in eine andere Welt hinein, aber nicht in eine stille, denn uns dröhnte das Rauschen des Wassers entgegen, das wie ein nie abreißender Schaumfluss durch das schmale Tal jagte und an den Stützpfosten des Wintergarten-Ateliers vorbeischäumte.
Nur noch wenige Stufen, dann hatten wir es hinter uns. Suko erwartete mich. Er hatte sich umgedreht, sein helles Gesicht schimmerte mir entgegen.
Beide spürten wir die Kühle, die das Wasser abstrahlte. Selbst im heißesten Sommer würde es hier immer angenehm kühl sein.
Suko hatte den Kopf gedreht und schielte schräg in die Höhe, der Außenscheibe des Ateliers entgegen, weil er dort nach einer Bewegung suchte. Er entdeckte jedoch nichts, nicht einmal eine Lampe brannte hinter der großen Glaswand.
Es war dunkel…
»Und wie geht es weiter, großer Meister?« fragte ich. »Willst du an den Pfeilern hochklettern?«
»Nein, das nicht.«
»Ein Glück.«
Er winkte wieder. »Immer nur mir folgen, der Herr. Verlass dich auf mich, dann…«
»Ja, dann bin ich verlassen.«
»Schäm dich.«
Ich schämte mich nicht, sondern blieb in seiner Spur und hoffte, dass er nicht vorhatte, den rauschenden Wildbach zu überqueren. Da würde ich ihm nur im äußersten Notfall folgen.
Es war nicht nötig. Wir hielten uns am linken Ufer und stiegen über mächtige Steine hinweg, die sich mit kleinen Platten ablösten, sodass wir von einer zur anderen treten konnten.
Die meisten waren noch trocken, nur diejenigen, die dicht am Wasser lagen, zeigten einen feuchten Film, der leicht rutschig war, sodass wir uns sehr vorsehen mussten.
Wir gingen immer dichter auf die Felswand oder auf die Rückseite des Hauses zu und befanden uns praktisch unter dem Anbau. Von oben jedenfalls würden wir nicht mehr gesehen werden können, es sei denn, man schaute durch eine Klappe.
Es war so dunkel, dass wir eine Taschenlampe hätten gebrauchen können, aber die ließ ich stecken, so lange wir auch noch ohne Licht auskamen.
Manchmal peitschte der Wind in dieses Felstal und spielte mit der Gischt des Wildbachs. Er wehte sie wie dünne Tücher weg, die auch uns nicht verschonten, sodass wir nicht nur einmal von einer nassen Ladung erwischt wurden.
Weiter ging es…
Suko blieb irgendwann stehen und drehte sich um. »Ich habe mich doch nicht getäuscht«, erklärte er und lachte leise.
»Wobei nicht?«
»Da, die Tür!«
Zuerst fühlte ich mich von ihm auf den Arm genommen, weil ich sie nicht sah, sondern nur das gischtende Wasser, das an der Hauswand entlangströmte und plötzlich darunter verschwand, denn genau dort öffnete sich eine Lücke, die aussah wie ein großes Maul und breit genug war, um das Wasser zu schlucken.
Dieser Wildbach floss also unterirdisch weiter, unter dem Haus hindurch, und würde an einer anderen Stelle wieder an die Oberfläche treten, um dort seinen Weg talwärts fortzusetzen.
Die Tür lag nicht weit von dieser Einmündung entfernt und bildete die Rückseite einer Nische, die praktisch die gleichen Ausmaße hatte. Suko war schon hingegangen, hatte sich gebückt und untersuchte das Schloss, diesmal allerdings im Licht der Leuchte.
Als ich neben ihm stehen blieb, schaute er kurz hoch. »Es wird keine Probleme geben.«
»Ein altes Schloss?«
»Sicher.«
So koscher war die Sache nicht. Ich dachte auch an Hausfriedensbruch, doch auf der anderen Seite stand der begründete Verdacht, dass dieser geheimnisvolle Maler etwas zu verbergen hatte.
Zudem waren drei Frauen verschwunden, und einen BKA-Beamten hatte der Besuch von La Rostelle das Leben gekostet. Gründe genug, um unsere Bedenken zurückzustellen.
Suko hatte bereits ein schmales Werkzeug aus seiner Tasche geholt. Für
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